Serie "Tom blickt durch die Linse (4)": Weniger ist oft mehr. Wer kennt es nicht, beim Auftritt des Musikvereins oder des Schülerchors sollen möglichst alle mit aufs Bild. Auch den eigenen Garten will man in seiner ganzen Buntheit zeigen. Mit dem Ergebnis kommt dann meist die Ernüchterung: Auf dem Bild ist zwar viel drauf, aber so richtig viel erkennen kann man nicht. Und seien wir doch mal ehrlich: Die gestellten Gruppenbilder, wenn sie nicht gerade zum Zwecke der Vereinshistorie dienen, sind genauso langweilig wie Blumenbilder, auf denen man die Schönheiten nur erraten kann. Ich habe mir im Lauf der Zeit angewöhnt, mehr Nähe zu wagen. Was im Gros meist untergeht, kommt bei Detailaufnahmen viel schöner zur Geltung. Ich stellte fest, dass Bilder lebendiger wirken, wenn ich den Trompeter, der gerade eins mit seinem Instrument ist, in voller Action ablichte. So geht es mir auch mit Naturbildern. Wohlverstanden, ein leuchtender Blumenteppich im Garten ist ein Blickfang. Aber was passiert, wenn ich mein Augenmerk auf eine einzelne Blüte richte? Für dieses Experiment suchte ich mir meinen Garten aus, wo die bunten Frühlingsboten an Größe und Leuchtkraft gewinnen. Beim Blick durch die Linse erhielt ich eine völlig andere Ansicht auf die Tulpen, den „Blauen Stern“ oder die Traubenhyazinthen. Die Tulpen offenbarten durch den nahen Blick ihr ausgeklügeltes Schließsystem, und als ich den blauen Blumenteppich heranzoomte, um eine einzelne Blüte in den Mittelpunkt des Bildes zu stellen, entdeckte ich ein verspieltes Detail: Auf den Blüten befanden sich noch letzte Regentropfen, quasi als Lupe. Durch die plastische Vergrößerung sah ich die feinen Adern der Blütenblätter noch deutlicher. Fazit: Es lohnt sich, beim Blick durch die Linse Mut zum Detail zu beweisen. Thomas Krytzner
Mehr Mut zum Detail