Auf dem Kirchheimer Markt durfte er nicht fehlen: Helmut Palmer bot hier in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts seine Waren feil - rein regional, versteht sich. Das lag nicht nur daran, dass damals ein Begriff wie „Flugananas“ noch undenkbar war. Nein, es lag an seiner Überzeugung. „Mein Vater war eigentlich der erste Grüne“, sagt seine Tochter Gudrun Mangold heute über ihn und fügt schmunzelnd hinzu: „Und das, ohne je viel von den Grünen gehalten zu haben.“
Helmut Palmer bei einer Baumschnittaktion 1997. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques
Grudrun Mangold weiß, wovon sie spricht. Als Tochter des legendären „Remstalrebellen“ war sie in Kirchheim, aber auch in anderen Orten der Region, oft an seiner Seite auf den Märkten aktiv. „Um 3 Uhr morgens sind wir aufgestanden, das Ganze war kein Zuckerschlecken - aber ich hab‘s trotzdem gern gemacht“, erinnert sich die Journalistin.
Kirchheimer Marktgänger erinnern sich: Rund um Palmers Stand wurde nicht nur verkauft, sondern auch politisiert. Schließlich war der Freigeist aus dem Remstal vielerorts in der Kommunalpolitik bekannt und gefürchtet. Etliche Male war er Kandidat für Bürgermeister- oder Oberbürgermeisterwahlen, auch in Kirchheim. Wie passt so viel politisches Engagement zusammen mit der harten Arbeit als Obsterzeuger und „Pomologe“, wie sich Apfelkenner Palmer selbst nannte? „Ganz einfach“, sagt seine Tochter: „Das geht problemlos, wenn man einen 18-Stunden-Tag hat und das immer.“
War er in den Rathäusern der Schrecken der Kommunalpolitik, so war er auf den Märkten ein Liebling der Hausfrauen. Auch in Kirchheim erzählt man sich, dass man beim Palmer nicht mit einer Plastiktüte auftauchen durfte. Nur den Korb empfand er als politisch korrekt. Wer ihm dieses Gefäß am Stand hinhielt, für den gab‘s auch einen Apfel obendrauf.
Dem Apfel und dem Apfelbaum galt die Leidenschaft des Remstälers. Rund um die Teck, aber auch um die Achalm und den Hohenstaufen, gab Palmer Schnittkurse, die oft mehr ein Happening als ein Seminar waren. Für manch einen Wieslesbesitzer ist Palmers Wort heute noch die Bibel. Gemeinsam mit ihrem Vater hat Gudrun Mangold ein Buch geschrieben: „Der originale Palmer-Schnitt - Spitzenerträge im Streuobstbau“. Der Vater starb, ehe die Arbeit beendet war.
Das Buch erschien post mortem vor nunmehr fast zwanzig Jahren und ist jetzt in einer neuen Edition erneut verlegt worden, deutlich umfangreicher. Selbstverständlich wird darin auch die Politik kurz gestreift. „Die Oberen stutzen, damit die unteren Licht bekommen“ - diese Devise taugte dem Remstalrebellen gleich gut für den einen wie für den anderen Bereich, berichtet seine Tochter.
Gudrun Mangold hat auch ihren persönlichen Favoriten, „Hunger ist der beste Koch - karge Zeiten auf der rauen Alb - Rezepte und Geschichten“, völlig neu gestaltet wieder auf den Markt gebracht. Es geht um den Überlebenskampf der Menschen auf der überaus kargen Kuppenalb. Die Autorin streut in ihren Erzählungen authentische alte und uralte Rezepte ein. Denn ihr Credo lautet: „Man soll sich die Geschichte auf der Zunge zergehen lassen können.“
Auch der Stuttgarter Starkoch Vincent Klink hat Mangolds „Schwarzen Brei“, einst das Gericht der ärmsten Albbewohner, entdeckt und als Beilage zu einem Edelfisch serviert. Sie meint dazu: „Das toppt zum Beispiel Couscous oder Polenta locker, weil der „Schwarze Brei“ würziger und damit interessanter schmeckt.“
Hintergrund für die neu aufgemachten, an sich bekannten Bücher ist die Tatsache, dass die Verlage, mit denen die Autorin bislang zusammengearbeit hat, von größeren Münchner Verlagshäusern übernommen wurden. Mangold hat sich in diesem Punkt ganz als Tochter ihres Vater erwiesen und die Rechte an ihren Büchern zurückgeholt. Jetzt packt sie es also selbst an.
In der Edition Gudrun Mangold sind beide erwähnten Bücher 2020 erschienen: „Der originale Palmer Schnitt“ hat ISBN 978-3-9822441-0-5, „Hunger ist der beste Koch - Rezepte und Geschichten“ 978-3-9822441-1-2.