Zwischen Neckar und Alb
Messerstecher muss elf Jahre hinter Gitter

Justiz Im Prozess wegen Messerattacken in Unterensingen ist ein 32-Jähriger verurteilt worden.

Unterensingen/Stuttgart. Mit unbewegter Miene hörte sich der Angeklagte die Urteilsverkündung an. Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart hält ihn des versuchten Mordes und des versuchten Totschlags jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für schuldig. Der 32-Jährige hatte am 21. Mai 2021 in Unterensingen den Vater seiner Lebensgefährtin und einen Passanten mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Die Schwurkammer verurteilte ihn dafür zu elf Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre, die Verteidigung fünf Jahre Gefängnis gefordert.

Die Aussagen des Angeklagten, Stimmen und Dämonen hätten ihn zu den Taten angestiftet, ließ der Vorsitzende Richter Hans-Georg Rummel nicht gelten. Dabei, so Rummel, handle es sich um Schutzbehauptungen. Der Angeklagte habe sehr wohl gewusst, dass er im Haus des Vaters seiner Partnerin nicht willkommen war. Dennoch sei der 32-Jährige mit der jungen Frau dorthin gegangen, um Geld für Zigaretten zu holen. Der Vater aber hatte dem Angeklagten Hausverbot erteilt. Das hätte der Angeklagte respektieren müssen. Der Vater habe dann mehrfach gesagt: „Geh weg, geh weg“. Auch diese klare Ansage habe den 32-Jährigen nicht beeindruckt. Der Vater habe eine Eisenstange in der Hand gehabt. Der Angeklagte habe dann mit einem Klappmesser zugestochen. Dies sei keine Notwehr gewesen, so der Richter, denn der Vater habe sein Hausrecht ausgeübt. Es sei das Recht, unerwünschten Personen den Zutritt zu verweigern. Nur durch das beherzte Einschreiten zweier Hausbewohner habe der Angeklagte von seinem Opfer abgelassen.

Ein deutlicher Vernichtungswille

Er sei dann auf die Straße gerannt und habe auf einen Passanten eingestochen. Durch mindestens 13 Messerstiche ins Gesicht und im Brustbereich habe er den Mann, dem er nie zuvor begegnet war, töten wollen. Allein wegen des Einschreitens der Hausbewohner und weiterer Passanten, der herannahenden Polizeisirenen und der Hilferufe von Passanten habe er aufgehört. Der Angeklagte habe hier einen deutlichen „Vernichtungswillen“ gezeigt. Der Passant habe nur deshalb überlebt, so der Richter, weil er – auf gut Schwäbisch ausgedrückt – kein „Häddele“ sei, also über eine gewisse Körpergröße und Statur verfüge. Beide Opfer seien lebensgefährlich verletzt worden.

Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer wohl vorhandenen psychischen Erkrankung, sowie sein Geständnis und seine Entschuldigung bei den Opfern. Außerdem habe er sich nach einer dreitägigen Flucht freiwillig der Polizei gestellt, und seine Lebenssituation sei zum Tatzeitpunkt schwierig gewesen. So habe er seine kurz vor der Tat zur Welt gekommene Tochter nicht sehen dürfen, da sie wegen der instabilen Verhältnisse in einer Pflegefamilie untergebracht worden war. Zu Lasten des Angeklagten wertete die Schwurgerichtskammer seine zahlreichen, auch einschlägigen Vorstrafen.

In der Schweiz war er zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er Familienangehörige mit einem Messer verletzt hatte. Hier sei es ebenfalls um Zigarettengeld gegangen: „Das Verhaltensmuster ähnelt sich.“ Für den Angriff gegen den Vater seiner Lebensgefährtin sah das Gericht eine Strafe von fünf Jahren, für die Messerattacke auf den Passanten einen Freiheitsentzug von neun Jahren als angemessen an. Wegen der räumlichen Nähe der Taten werde das Strafmaß auf elf Jahre festgelegt. Simone Weiß