Zwischen Neckar und Alb
Messerstecherei in Unterensingen: Polizisten sagen aus

Prozess Der 31-jährige Angeklagte behauptet, Stimmen gehört zu haben. 

Unterensingen. Die 19. Große Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts versucht derzeit zu ergründen, was einen 31-jährigen Mann am 21. Mai des vergangenen Jahres dazu getrieben haben könnte, zwei Menschen in der Unterensinger Ortsmitte mit einem Messer lebensgefährlich zu verletzen. Er ist wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags angeklagt.

Das eine Opfer ist der 73-jährige Vater seiner ehemaligen Lebensgefährtin, das andere ein 48-jähriger Mann, der zufällig vorbeikam. An den vergangenen Verhandlungstagen hatte der Angeklagte geäußert, dass er Stimmen gehört habe. Deshalb wird er von dem Gerichtspsychiater Dr. Peter Winckler begutachtet.

In der Verhandlung wurden nun hauptsächlich die Polizeibeamten gehört, die rund um die Tat ermittelt hatten. Wie bei einem Puzzle, bei dem noch nicht alle Teile passen, ergibt sich langsam ein Bild der Ereignisse von Freitag, 21. Mai, bis zur Verhaftung des Mannes am darauffolgenden Montag in Stuttgart-Plieningen.

Der Angeklagte soll seine Lebensgefährtin gebeten haben, von ihrem Vater Geld für Zigaretten zu holen. Da der Vater gegen die Beziehung gewesen sei, habe der 31-Jährige draußen gewartet. Der Vater habe jedoch mitbekommen, dass er in der Nähe ist, und sei mit einer 71 Zentimeter langen, sieben Millimeter dicken und 257 Gramm schweren Metallstange aus dem Haus gekommen. Daraufhin habe der 31-Jährige das Klappmesser gezückt. Das trage er regelmäßig bei sich, angeblich zu seiner Verteidigung.

Im ersten Notruf spricht die Freundin davon, dass der Mann sie verteidigt habe. Noch ist nicht ganz klar, wo genau sie vor, während und nach der Tat war. Ein Beamter schilderte, dass ihre Vernehmung sehr schwierig gewesen sei.

Nachbarn aus dem Haus vertrieben den Angreifer, brachten den 73-Jährigen in seine Küche und versuchten, seine Verletzungen bis zum Eintreffen der Notärzte zu versorgen. Diese Nachbarn waren es auch, die den Messerstecher dazu brachten, von seinem 48-jährigen Zufallsopfer abzulassen. Da vermutet wurde, der 31-Jährige könnte sich in seiner nicht weit entfernten Unterkunft befinden, wurde diese wenig später durchsucht.

Angeklagter stellte sich

Gezeigt wurden Fotos der blutigen Kleidung der beiden Opfer und Bilder von den Tatorten. An der Kleidung des Angeklagten fanden sich Blutspritzer, deren DNA den Opfern zugeordnet werden konnte. Auch das Messer wurde im Gerichtssaal gezeigt und demonstriert, wie schnell und leicht es sich öffnen lässt. Der Mann trug es bei seiner Verhaftung noch bei sich.

Von großem Interesse für den Psychiater waren die Beobachtungen der Beamten, die mit dem Angeklagten persönlichen Kontakt hatten. Nach drei Tagen auf der Flucht hatte sich der 31-Jährige selbst bei der Polizei gemeldet. Ein Polizist schilderte, dass der Angeklagte auf ihn sehr ruhig gewirkt habe. Er sei zwar schmutzig und verwahrlost gewesen, jedoch sei an seiner Gestik oder seinem Verhalten nichts Außergewöhnliches gewesen. Er habe alle Anweisungen verstanden und ihnen Folge geleistet, auch habe er erschöpft und müde gewirkt. In den Vernehmungen sei keine Rede von Stimmen oder Dämonen gewesen. Die Verhandlung geht weiter, das Urteil wird für Donnerstag, 10. Februar, erwartet. Barbara Gosson