Von einem „sehr negativen Tenor“ spricht der Vorsitzende der Bezirksgruppe Neckar-Fils des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Martin Peters, wenn er die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage des Verbandes vorstellt. Die gesammelten Daten gelten für ganz Baden-Württemberg, wurden aber noch einmal extra für die Kreise Esslingen und Göppingen heruntergebrochen. Aber auch in der Region ist die Stimmung düster. Die Probleme seien nicht neu, sagte Peters, doch hätten sie „eine Intensität erreicht, die den Standort Deutschland nachhaltig gefährdet“.
Die Probleme haben eine Intensität erreicht, die den Standort gefährden.
Martin Peters, Südwestmetall
Im Detail sieht das so aus: 69 Prozent der Firmen in den beiden Landkreisen geben an, im laufenden Jahr einen schlechteren Auftragseingang als 2023 zu haben. Ein Drittel spricht von einer deutlichen Verschlechterung. 60 Prozent der Firmen gehen davon aus, dass sich ihre Produktion in Deutschland in diesem Jahr schlechter entwickeln wird. Die Hälfte spricht sogar von einer deutlichen oder sehr deutlichen Verschlechterung. Das habe Folgen, so Peters: „Diese Erwartung, die wir auch in persönlichen Gesprächen und in unserer alltäglichen Arbeit wahrnehmen, hat Auswirkungen auf mittel- und langfristige Planungen. So geben 58 Prozent an, dass die Beschäftigung in diesem Jahr rückläufig sein wird“, sagte Peters.
Arbeitskosten, Bürokratie und Energiepreise machen den Unternehmen zu schaffen
Als Hauptgründe führten die Unternehmen hohe Arbeitskosten, überbordende Bürokratie und hohe Energiepreise an. Hinweisgeberschutzgesetz, EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, EU-Taxonomie-Verordnung, Gleichbehandlungsgesetz in Baden-Württemberg, EU-Lieferkettenrichtlinie, EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die Neuregelung der Arbeitszeiterfassung, verschärfter Datenschutz und vieles mehr stehen für den bürokratischen Aufwand, hinzu kommen zahlreiche Regularien im Bereich der Außenwirtschaft wie Zoll- und Einfuhrbestimmungen und eine Vielzahl von Dokumentationspflichten, wobei es hier nach Auskunft des Verbandes auch zu Mehrfachdokumentation für verschiedene statistische Zwecke kommt.
Der Pessimismus der Unternehmer rührt auch daher, dass sich Investitionen im Ausland wohl eher rentieren als im Inland. 87 Prozent der Firmen, die im Ausland investieren, geben an, dass sie ihre Investitionen an anderen Standorten in den vergangenen fünf Jahren gesteigert haben. Von den Investitionen im Inland sagten das nur 37,5 Prozent. Bei der Frage, wohin die Investitionen in den nächsten fünf Jahren verstärkt fließen, sagen 42 Prozent mehr Ausland und nur acht Prozent mehr Inland. Mehr als 80 Prozent der Firmen, die im Ausland produzieren, geben an, ihre Standorte seien dort rentabler.
Interessant sind die Aussagen mit Blick auf die anstehenden Tarifverhandlungen. Peters sagte nach einer Mitgliederversammlung der Südwestmetall-Bezirksgruppe Neckar-Fils in Esslingen: „Einen Faktor der Wettbewerbsfähigkeit haben wir Arbeitgeber und unser Sozialpartner, die IG Metall, in diesem Jahr in der Hand, und das sind die Arbeitskosten.“ Die Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg forderte in der vergangenen Woche eine Erhöhung der Entgelte um sieben Prozent. Die neue IG-Metall-Chefin Christiane Benner sagte dazu in einem Interview, die sieben Prozent seien eine Forderung mit Augenmaß. Peters sieht es anders: „Diese Forderung passt nicht zur Situation, in der sich ein großer Teil unserer Firmen aktuell befindet. Viele unserer Unternehmen wären schon durch eine annähernde Umsetzung dieser Forderung überfordert. Sie sehen gerade nicht, woher sie den Spielraum nehmen sollen, irgendetwas zu verteilen.“ Produktion, Auftragslage, Investitionen und Personalpläne trügen bereits jetzt negative Vorzeichen. Begründet würde die Forderung der IG Metall mit der zuletzt hohen Inflation. Diese Argumentation sei irreführend. Über die vergangenen zehn oder 20 Jahre gesehen hätte die Entgeltsteigerung deutlich über der Inflation gelegen. „Es gibt also keinen Grund, etwas nachzuholen oder auszugleichen“, sagte Peters.
Unternehmen tendieren zu Investitionen im Ausland
Die Problematik, dass Firmen auch im Kreis Esslingen verstärkt im Ausland investieren oder investieren wollen, erkennt indes auch Benner. Die Investitionszurückhaltung in der Metall- und Elektroindustrie treffe den Maschinenbau, sagte sie in dem Interview. Der Rückgang in der Autoproduktion die Zulieferer. „Was wir verhindern müssen, ist eine Abwärtsspirale. Denn was weg ist, kommt nicht mehr wieder“, so Brenner. Und: „Wenn jetzt verlagert wird oder Werke geschlossen werden, verliere ich Teile der Wertschöpfung. Damit steigt die Abhängigkeit von anderen Ländern.“
Für Aufsehen gesorgt hatte zuletzt die Firma Stihl aus Waiblingen im Rems-Murr-Kreis, die Schweiz als Standort für ein neues Werk zu prüfen. Der Beirats- und Aufsichtsratsvorsitzende Nicolas Stihl warnte: „Einen Standort in Deutschland muss man sich heute leisten können.“ Inzwischen wäre es sogar günstiger, in der Schweiz zu produzieren. Derzeit werden diese Überlegungen offenbar nicht weiterverfolgt, allerdings liegen die Pläne, ein solches Werk in Ludwigsburg zu bauen, gleichfalls auf Eis.
Arbeitgeberverband Südwestmetall
Arbeitgeberverband: Der Arbeitgeberverband Südwestmetall mit Sitz in Stuttgart vertritt gemeinsam mit dem nicht tarifgebundenen Unternehmensverband Südwest e.V. die tarif-, sozial- und bildungspolitischen Interessen von über 1550 Mitgliedsunternehmen der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie. In dieser Branche sind rund 660 000 Menschen beschäftigt.
Neckar-Fils: Die Bezirksgruppe Neckar-Fils ist eine von 13 Bezirksgruppen von Südwestmetall in Baden-Württemberg und betreut gemeinsam mit dem Unternehmensverband Südwest e.V. rund 205 Betriebe mit rund 48 000 Beschäftigten in den Landkreisen Esslingen und Göppingen.
Martin Peters: Der Vorsitzende der Südwestmetall-Bezirksgruppe Neckar-Fils ist auch Mitglied im engeren Vorstand von Südwestmetall und geschäftsführender Gesellschafter der Eberspächer Gruppe in Esslingen.

