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Mini-Schauspiel: Auf kleinstem Raum Werte vermitteln

Kultur Die ehemalige Erzieherin Gudrun Eichel aus Aichwald erweckt mit eigenen Geschichten in ihrem „Tischtheater“ Holzfiguren zum Leben. Von Marion Brucker

Dass Gudrun Eichel von innen heraus erstrahlt, überträgt sich auch auf ihre Figuren, wenn sie ihre Geschichten dem Publikum erzählt. Tischtheater nennt sie ihre halbstündigen interaktiven Aufführungen.  Die gelernte Erzieherin hat dafür ihr Theater in ihrem Wohnzimmer aufgebaut, so als ob sie vor Publikum spielen würde.

Sie steht hinter einem drei Meter langen Tisch, den sie mit einem schwarzen Tuch abgedeckt hat. Hinter ihr hängt ein schwarzer Vorhang, sie selbst ist schwarz gekleidet. Durch die dunkele Farbe würde der Zuschauer auf das
 

Die Zuschauer möchten echte Gefühle erleben.
Gudrun Eichel

 

Geschehen auf der Bühne gelenkt, erklärt sie. Ihre Figuren hat sie hinter Baumrinden versteckt, die auf dem Tisch vor ihr stehen. Sie dienen ihr auch als Kulisse. Mal als Mauer, mal als Schlossturm oder Stadttor, je nach Stück werden sie unterschiedlich eingesetzt.

 Als ersten holt sie Koriander, eine rund 30 Zentimeter große grüngewandete Holzfigur hinter der Baumrinde hervor. Sein Kopf aus einer Holzkugel steckt auf einem Stab in einem mit Mörtel gefüllten Pappbecher. Die Hände hat sie aus Holz ausgesägt und geschliffen, die Kleider selbst genäht. Sie verwende alte Stoffe und natürliche Materialien: „Ich genieße, dass ich alles selber machen kann“, sagt sie.

Koriander ist einer der Hauptfiguren in ihrem neusten Stück „Das Geheimnis der Bienen“. Die 57-Jährige hat es während der Coronazeit erfunden. Darin geht es um Prinzessin Pimpenelle, die nicht mehr lacht, und viele Menschen vergeblich versuchen, dies zu ändern. Dabei wünscht sie sich nur Früchte aus dem Schlossgarten.  

Wie bei jeder Geschichte – mittlerweile hat sie rund 20 im Repertoire – recherchiert Gudrun Eichel erst die Hintergründe. Anschließend schreibt sie die Rollen und spielt jede Geschichte mehrmals durch. „Ich möchte in der Geschichte so drin sein, dass ich sie selber nachempfinden kann“, sagt sie. Spreche die Figur, so schaue sie diese an und gebe ihr ihre Stimme, je nach deren Gemütsverfassung, traurig, nachdenklich oder erfreut. Schaue sie ins Publikum, so fungiere sie als Erzähler. Das gibt ihr die Gelegenheit zu beobachten, ob das Publikum noch bei der Sache ist oder ob etwas Neues kommen muss, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu fesseln.

Für ihr neues Stück hat sie sogar Mandoline spielen gelernt und die Blumen selbst gefilzt: Krokusse, die aus der Erde spießen, Gänseblümchen, Hyazinthen, Eichel lässt sie nach und nach hinter einer Baumrinde ans Tageslicht kommen. Eine Biene fliegt darüber. Hat sie sich erst einmal eine Blüte ausgewählt, wird sie ihr ganzes Leben immer dieselbe Blumensorte anfliegen.

Das Geheimnis der Bienen

Es ist eines der Dinge, die der Zuschauer ganz nebenbei in ihrem Stück erfährt. Die ehemalige Erzieherin – sie tritt vor allem in Kitas, Grundschulen und bei Seniorennachmittagen auf – möchte nicht belehren sondern über Emotionen Werte vermitteln. So beziehe sie das Publikum immer in das Stück mit ein. Beispielsweise könne es während der Aufführung „Das Geheimnis der Bienen“ Tipps geben, wie ein bienenfreundlicher Garten gestaltet werden sollte.

Viele ihrer Stücke basieren auf der Bibel: „Natürlich sind wir Bibelgeschichten wichtig, zumal es nicht mehr üblich ist, Kindern wie früher aus der Kinderbibel vorzulesen“, sagt die engagierte Christin. Dabei seien diese Stücke aktueller denn je, meint sie und verweist auf das über Bartimäus. Er ist blind. Eichel versucht das Publikum in seine Welt mitzunehmen. „Die Zuschauer möchten echte Gefühle erleben. Sie wollen mitfühlen“, sagt sie. Das habe sie in einem ihrer ersten Seminare gelernt.

2017 hat sie im Kindergarten aufgehört. „Ich hatte das Gefühl, einen Neubeginn starten zu müssen und meine Geschichten zu erzählen“, sagt sie. Ihre Schwägerin habe sie dazu ermutigt, es auszuprobieren. „Man kann nur ein Auto steuern, das fährt“, habe sie gesagt.

Über Jahre besuchte die ehemalige Erzieherin, die schon als Jugendliche bei Straßenfesten aufgetreten war, den Pantomimeunterricht bei Peter Makal, später Schauspielseminare und Seminare bei Figurenspieler Matthias Jungermann. Die Mutter vier erwachsener Kinder machte ihr Hobby zum Beruf: „Es macht mich glücklich, wenn sich andere freuen, ich merke sie fühlen mit, sind ganz dabei, wenn der Funke überspringt“.