Zwischen Neckar und Alb
„Mir zog es den Boden unter den Füßen weg“

Umwelt Unbekannte entsorgen Reifen auf dem Grundstück von Christa Pankrath. Ihr flattert die Androhung eines hohen Bußgelds ins Haus. Von Thomas Krytzner

Für die Plochingerin Christa Pankrath war es der zweite Schicksalsschlag innerhalb kurzer Zeit. „Am 11. November verstarb mein Mann völlig unerwartet an einem Herzinfarkt, und jetzt bekam ich von der Stadt Plochingen eine Bußgeldandrohung wegen illegaler Müllentsorgung.“

Die 77-Jährige kann es kaum glauben: Unbekannte haben auf ihrem Grundstück, das ihre Familie seit fast 200 Jahren besitzt, rund 30 ausgediente Autoreifen entsorgt. „Als der gelbe Brief der Stadt im Briefkasten lag, hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Darin wurde mir ein mögliches Bußgeld von bis zu 100 000 Euro angedroht und die Frist zur Entsorgung der Reifen gesetzt.“

Nach dem ersten Schreck hat Christa Pankrath beim Ordnungsamt angerufen und versichert, dass sie wohl kaum Reifen auf dem eigenen Grundstück entsorge. „Ich fahre ja noch nicht mal ein Auto“, sagt sie enttäuscht. Vom Ordnungsamt bekam sie den Tipp, eine Anzeige bei der örtlichen Polizei gegen unbekannt zu erstatten. „Ich war richtig fertig mit den Nerven“, erinnert sich die Plochingerin. Christa Pankrath und ihr Mann Dieter Pankrath hatten einen lebenslangen großen Wunsch: „Wir wollten gemeinsam 100 Jahre alt werden, jetzt muss ich es allein schaffen“, sagt sie traurig. Viel Zuspruch bekam Christa Pankrath aus der Nachbarschaft und von andern Grundstücksbesitzern: „Die waren über die entsorgten Reifen sprachlos.“

Stadtrat Harald Schmidt (ULP) erfuhr über soziale Medien vom Leid der Rentnerin und nahm mit dem Ordnungsamt der Stadt Plochingen Kontakt auf. Jörg Blankenhagen, Gemeindevollzugsbediensteter der Stadt Plochingen, ließ Gnade walten und zog die Bußgeldandrohung zurück. „Die Entsorgung bleibt aber Sache der Grundstücksbesitzerin“, bestätigte der Mitarbeiter des Ordnungsamtes.

Entsorgung ist gesichert

Fünf Euro pro Reifen, also rund 150 Euro für den Abtransport der Reifen, müsste Christa Pankrath aus eigener Tasche berappen. Die drohenden Kosten sind aber jetzt vom Tisch. Denn: Die Diskussion in den sozialen Medien um die illegale Reifenentsorgung beschäftigte die Menschen. Ein ortsansässiger Reifenhändler meldete sich und bot an, die 30 Reifen kostenlos abzuholen und fachgerecht zu entsorgen.

Jörg Blankenhagen ist verärgert und besorgt: „Es kommt immer wieder vor, dass am Stadtrand illegale Müllhalden entstehen. Meist an Stellen, die verkehrsgünstig, aber nicht leicht einzusehen sind.“ Die Entsorgung von Autoreifen häufen sich immer im Frühling und im Herst. Er versichert: „Wir wollen den Bürgern mit diesen Bußgeldschreiben bestimmt keinen Schrecken einjagen, die Briefe entstehen nach gültigen Gesetzesvorlagen.“ Ein Bürger hatte bei der Stadt Beschwerde wegen der illegalen Müllentsorgung in der Halde eingereicht. „Dieser mussten wir nachgehen und konnten die Besitzerin ausfindig machen. Sie konnte aber glaubhaft versichern, dass sie keine Autoreifen auf dem eigenen Grundstück entsorgt.“

Nachdem Christa Pankrath eine Anzeige gestellt hatte, konnten Polizei und Ordnungsamt mit den Ermittlungsarbeiten beginnen. „Wir arbeiten eng zusammen und tauschen die Erkenntnisse aus“, erklärt Jörg Blankenhagen die Vorgehensweise. Es gibt auch schon einen Hinweis, den die Täter hinterließen. „Auf einem Reifen steht das Wort „SHEFF“. Wir hoffen nun, dass jemand die Schrift oder das Wort erkennt und uns Hinweise liefern kann.“ Für Jörg Blankenhagen steht fest: „Aufgrund weiterer Beschriftungen auf den Reifen, gehen wir von einer gewerblichen Autowerkstadt aus, die hier illegal Reifen entsorgt.“ Dazu komme, dass nur jemand Ortskundiges die Wiesen und deren Gegebenheiten auf der Halde kennt.

Da dieses Streuobstwiesengebiet von diversen Tieren, unter anderem auch Wildschweinen, durchquert wird, könnte man an der einen oder anderen Stelle auch getarnte Wildkameras anbringen, meint Jörg Blankenhagen. „So könnte man illegalen Entsorgern auch auf die Spur kommen.“ Für Christa Pankrath nahm die Aktion ein glimpfliches Ende, und sie kann sich weiter ihrem Ziel, 100 Jahre alt zu werden, widmen. „Ich muss“, sagt sie milde lächelnd, „damit mein Papagei in Ruhe 60 Jahre alt werden kann.