Wohnungsmangel
Missstände bei Mietwohnungen - was machen die Städte im Kreis Esslingen?

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen kann prekäre Wohnverhältnisse begünstigen. Die Stadt Nürtingen hat deshalb nach den Bränden in der Schafstraße eine neue Meldestelle eingerichtet.

Schafstraße Nürtingen

Prekäre Wohnverhältnisse wie sie in der Nürtinger Schafstraße 2 und mindestens einem weiteren Nachbargebäude herrschten, haben für Schlagzeilen gesorgt. Nach der verheerenden Brandkatastrophe vom November 2020, bei der dort zwei Menschen starben und 18 Bewohnerinnen und Bewohner obdachlos wurden, war die Rede von Überbelegung, mangelhaftem Brandschutz, defekter Elektroinstallation, Mietwucher, Ungezieferbefall und Vermüllung. 

Nicht zuletzt die Debatte um solche Missstände hat die Nürtinger Stadtverwaltung veranlasst, eine Meldestelle für Verdachtsfälle von Wohnmissständen samt ämterübergreifendem Monitoring auf ihrer Homepage einzurichten. Der angespannte Wohnungsmarkt wird dort als Begründung genannt, weshalb „in einzelnen Fällen auch Wohnraum in schlechtem baulichen Zustand angeboten und vermietet wird“. Was bringt eine solche Meldestelle und gibt es das auch in anderen Großen Kreisstädten im Kreis Esslingen?

Die Stadt Nürtingen führt eine Kartei mit aktuell 38 Objekten im Stadtgebiet. Wie die Verwaltung erklärt, umfasse die Kartei Objekte, in denen „vermutete Überbelegung, bauliche Mängel, vermuteter Mietwucher oder auch Vermüllung“ herrschten. Solche Verdachtsfälle würden von der Bevölkerung gemeldet, gingen über Behörden oder auch über verwaltungsinterne Kanäle ein. Nicht jeder Sachverhalt mache allerdings eine Kontrolle vor Ort notwendig und nicht alles liege in Zuständigkeit der Stadt Nürtingen. In immerhin 25 Fällen sei aber geklärt worden, ob eine Überbelegung vorliegt.

„Die Meldestelle und das ämterübergreifende Monitoring haben sich als sehr hilfreich herausgestellt. Zum einen erhalten wir damit einen Überblick über die Situation in Nürtingen, zum anderen konnten wir so die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen zuständigen Stellen verbessern. Für die Hinweise aus der Bevölkerung bei Verdachtsmomenten sind wir dankbar und wir können diesen nachgehen“, erklärt Bürgermeisterin Annette Bürkner. Mit der Einrichtung der Meldestelle erfolge auch eine Sensibilisierung der Bevölkerung mit Blick auf die Problematik von Wohnungsmissständen. Bei baulichen Missständen, die baurechtliche Mindeststandards vor allem beim Brandschutz betreffen, habe die Stadt die Möglichkeit, Nachbesserungen zu fordern, und könne im Extremfall eine Nutzung untersagen.

Aber auch weiterhin sei das Eigentumsrecht ein stark geschütztes Recht, was die Handhabe nur eingeschränkt ermögliche. Die Baurechtsbehörde sei in den meisten Fällen auf die Mitwirkung der Eigentümer angewiesen. „Nur wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit besteht, ist ein behördliches Einschreiten möglich“, erklärt Bürkner.

Schon bald nach der Brandkatastrophe hatte Oberbürgermeister Johannes Fridrich gemeinsam mit seinem Kirchheimer Amtskollegen Pascal Bader in einem Brief an den Städtetag ein Wohnungsaufsichtsgesetz für Baden-Württemberg nach Vorbild von Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gefordert. So ein Gesetz, in dem die Pflichten von Vermieterinnen und Vermietern und die Anforderungen an Wohnraum klarer formuliert wären, „würde auch uns die Möglichkeit geben, deutlicher gegen derartige Missstände vorzugehen“, sagt die Nürtinger Bürgermeisterin Annette Bürkner. Dann könnten auch bauliche Mindeststandards für den Zustand von Wohnraum über die Maßgaben der Landesbauordnung hinaus festgelegt werden.

Auch die Kirchheimer Verwaltungsspitze sieht weiterhin den klaren Bedarf für ein Wohnungsaufsichtsgesetz: „Die bestehenden Regelungen reichen aus Sicht der Verwaltung nicht aus, um Missständen auf dem Wohnungsmarkt effektiv entgegenzuwirken.“ In Esslingen halten dagegen die Verantwortlichen so ein Gesetz „nicht für zielführend“. In anderen Bundesländern habe es kaum zu den erhofften Verbesserungen geführt. Zudem seien die kommunalen Möglichkeiten, auf private Wohnverhältnisse Einfluss zu nehmen, bereits jetzt stark eingeschränkt, erklärt Gunnar Seelow, der Leiter der städtischen Stabsstelle Wohnen.

Zum möglichen Umfang von prekärem Wohnraum könne er keine Angaben machen, „da wir in Esslingen über kein systematisches Wohnungs- oder Gebäudekataster verfügen“, sagt Seelow. „Als Behörde schreiten wir bei Gefahr im Verzug ein, wenn also etwa eine Einsturzgefährdung oder konkrete Gefahr durch Mängel beim Brandschutz vorliegt.“ Außerdem prüfe die Stadt Hinweise auf problematische Wohnverhältnisse im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten, etwa durch das Ordnungsamt, wenn es um Müll im öffentlichen Raum geht. Immer wieder gibt es auch in Ostfildern Hinweise auf problematische Wohnverhältnisse, erklärt die Sprecherin der Stadt. In solchen Fällen werde den Betroffenen aufgezeigt, an welche Stellen sie sich wenden können. Sollte die Gesundheit oder das Leben von Bewohnerinnen und Bewohnern akut gefährdet sein, werde die Stadt im Rahmen ihrer baurechtlichen Zuständigkeit tätig.

38

Objekte will die Nürtinger Stadtverwaltung auf Überbelegung, Mietwucher, bauliche Mängel oder Vermüllung überprüfen.