Kirchheim. Für den einen ist es der aufwendigste Radweg Deutschlands, für den anderen ist es schlicht eine bahntechnische Notwendigkeit. Was Jan Dambach, den Sprecher der Deutschen Bahn, im Superlativ schwärmen lässt, sieht Jens Hallfeldt, der Projektleiter der Bahn für den ICE-Neubaustreckenabschnitt zwischen Wendlingen und Ulm, mit den Augen eines Ingenieurs. Und als solcher musste er sich der Tatsache beugen, dass der auch als Schulweg gern genutzte Fuß-und Radweg von Kirchheim ins Lenninger Tal ausgerechnet dort über die Bahnstrecke kreuzt, wo die Trasse im acht Kilometer langen Voralb-Tunnel abtaucht. „Weil dadurch der Platz eng wurde, mussten wir ein extrem aufwendiges Sonic-Boom-Bauwerk auf die unterirdische Tunnelröhre setzen“, sagt Hallfeldt.
Gewaltige Druckwelle
Wenn ein Hochgeschwindigkeitszug wie der ICE mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde in die enge Tunnelröhre einfährt, schiebt er eine gewaltige Druckwelle vor sich her. Die würde sich im Normalfall mit einen gewaltigen Tunnelknall lösen. Um das zu verhindern, werden an den Tunneleingängen Sonic-Boom-Bauwerke errichtet. In der Regel sind das laut Hallfeldt sechs meist seitlich angeordnete Auslässe, die dem sanften Druckausgleich dienen. „Hier mussten wir aber aus Platzgründen eine andere Lösung finden. Jetzt sorgen 17 Kamine auf einer Strecke von 70 Metern verteilt, dafür, dass der Druck lautlos entweicht“, erklärt der Projektleiter. Über der aufwendigen Konstruktion wird später der Rad- und Wirtschaftsweg angelegt. Von den bis zu acht Meter hohen Kaminen wird der Radfahrer oder der Spaziergänger nicht mehr sehen, als die rund ein Meter über dem Boden herausragenden Auslassöffnungen.
„Dass sich darunter ein ausgeklügeltes Ingenieurbauwerk verbirgt, merkt dann niemand mehr. Im Gegenzug würde man es allerdings schmerzhaft merken, wenn es nicht da wäre“, sagt Hallfeldt. Für den 50 Jahre alten Bauleiter gehört das Sonic-Boom-Bauwerk, dessen Konstruktion auf Erfahrungen beruht, die in Japan erstmals vor rund 40 Jahren mit dem Shinkansen-Schnellzug gemacht worden waren, zu den kleinen, aber feinen Herausforderungen entlang der Schnellzug-Trasse.
2021 fahren erste Testzüge
Hier neigt sich Hallfeldts Einsatz dem Ende zu. „Wir werden bis Jahresende nicht nur termingerecht, sondern sogar drei Monate vor dem Zeitplan mit dem Rohbau fertig sein. Dann übergeben wir den Bau an die Kollegen, die die Schienen legen“, sagt er. Wenn die Arbeiten weiter im Plan bleiben, dann könnte im kommenden Jahr der Testbetrieb aufgenommen werden. Zum Dezember-Fahrplanwechsel des Jahres 2022 soll dann der Regelbetrieb aufgenommen werden. Dann wird die Bahn für die Strecke zwischen Wendlingen und Ulm rund 15 Minuten weniger benötigen, als über die alte Filstaltrasse.
Wann die Radfahrer wieder auf dem kürzesten Weg von Kirchheim nach Owen radeln können, hängt davon ab, wie schnell das Baufeld rechts und links der Trasse geräumt wird. „Das könnte dann im Frühjahr der Fall sein“, sagt Hallfeldt.