Zwischen Neckar und Alb
Mit 17 Ka­mi­nen ge­gen den Tun­nel­knall

ICE-Trasse Man hört nichts, man sieht nichts – und doch ist das aufwendige So­nic-Boom-Bau­werk auf der
Tunnelröhre bei Kirchheim für den ICE un­ver­zicht­bar. Von Tho­mas Schor­radt

Kirchheim. Für den ei­nen ist es der auf­wen­digs­te Rad­weg Deutsch­lands, für den an­de­ren ist es schlicht ei­ne bahn­tech­ni­sche Not­wen­dig­keit. Was Jan Dam­bach, den Spre­cher der Deut­schen Bahn, im Su­per­la­tiv schwär­men lässt, sieht Jens Hall­feldt, der Pro­jekt­lei­ter der Bahn für den ICE-Neu­bau­stre­cken­ab­schnitt zwi­schen Wend­lin­gen und Ulm, mit den Au­gen ei­nes In­ge­nieurs. Und als sol­cher muss­te er sich der Tat­sa­che beu­gen, dass der auch als Schul­weg gern ge­nutz­te Fuß-und Rad­weg von Kirch­heim ins Len­nin­ger Tal aus­ge­rech­net dort über die Bahn­stre­cke kreuzt, wo die Tras­se im acht Ki­lo­me­ter lan­gen Vor­alb-Tun­nel ab­taucht. „Weil da­durch der Platz eng wur­de, muss­ten wir ein ex­trem auf­wen­di­ges So­nic-Boom-Bau­werk auf die un­ter­ir­di­sche Tun­nel­röh­re set­zen“, sagt Hall­feldt.

Gewaltige Druckwelle

Wenn ein Hoch­ge­schwin­dig­keits­zug wie der ICE mit bis zu 250 Ki­lo­me­tern pro Stun­de in die en­ge Tun­nel­röh­re ein­fährt, schiebt er ei­ne ge­wal­ti­ge Druck­wel­le vor sich her. Die wür­de sich im Nor­mal­fall mit ei­nen ge­wal­ti­gen Tun­nel­knall lö­sen. Um das zu ver­hin­dern, wer­den an den Tun­nel­ein­gän­gen So­nic-Boom-Bau­wer­ke er­rich­tet. In der Re­gel sind das laut Hall­feldt sechs meist seit­lich an­ge­ord­ne­te Aus­läs­se, die dem sanf­ten Druck­aus­gleich die­nen. „Hier muss­ten wir aber aus Platz­grün­den ei­ne an­de­re Lö­sung fin­den. Jetzt sor­gen 17 Ka­mi­ne auf ei­ner Stre­cke von 70 Me­tern ver­teilt, da­für, dass der Druck laut­los ent­weicht“, er­klärt der Pro­jekt­lei­ter. Über der auf­wen­di­gen Kon­struk­ti­on wird spä­ter der Rad- und Wirt­schafts­weg an­ge­legt. Von den bis zu acht Me­ter ho­hen Ka­mi­nen wird der Rad­fah­rer oder der Spa­zier­gän­ger nicht mehr se­hen, als die rund ein Me­ter über dem Bo­den her­aus­ra­gen­den Aus­lass­öff­nun­gen.

„Dass sich dar­un­ter ein aus­ge­klü­gel­tes In­ge­nieur­bau­werk ver­birgt, merkt dann nie­mand mehr. Im Ge­gen­zug wür­de man es al­ler­dings schmerz­haft mer­ken, wenn es nicht da wä­re“, sagt Hall­feldt. Für den 50 Jah­re al­ten Bau­lei­ter ge­hört das So­nic-Boom-Bau­werk, des­sen Kon­struk­ti­on auf Er­fah­run­gen be­ruht, die in Ja­pan erst­mals vor rund 40 Jah­ren mit dem Shink­an­sen-Schnell­zug ge­macht wor­den wa­ren, zu den klei­nen, aber fei­nen Her­aus­for­de­run­gen ent­lang der Schnell­zug-Tras­se.

2021 fah­ren ers­te Test­zü­ge

Hier neigt sich Hall­feldts Ein­satz dem En­de zu. „Wir wer­den bis Jah­res­en­de nicht nur ter­min­ge­recht, son­dern so­gar drei Mo­na­te vor dem Zeit­plan mit dem Roh­bau fer­tig sein. Dann über­ge­ben wir den Bau an die Kol­le­gen, die die Schie­nen le­gen“, sagt er. Wenn die Ar­bei­ten wei­ter im Plan blei­ben, dann könn­te im kom­men­den Jahr der Test­be­trieb auf­ge­nom­men wer­den. Zum De­zem­ber-Fahr­plan­wech­sel des Jah­res 2022 soll dann der Re­gel­be­trieb auf­ge­nom­men wer­den. Dann wird die Bahn für die Stre­cke zwi­schen Wend­lin­gen und Ulm rund 15 Mi­nu­ten we­ni­ger be­nö­ti­gen, als über die al­te Fil­stal­tras­se.

Wann die Rad­fah­rer wie­der auf dem kür­zes­ten Weg von Kirch­heim nach Owen ra­deln kön­nen, hängt da­von ab, wie schnell das Bau­feld rechts und links der Tras­se ge­räumt wird. „Das könn­te dann im Früh­jahr der Fall sein“, sagt Hall­feldt.