Lesung
Mit dem Allmächtigen auf Achse

Mit Gott, Straßenkarten und Spaß hatte Helga Blohm auf einem 40-Tonner ihren Traum gelebt. Auf Einladung der Neidlinger Landfrauen parkte sie vor dem Lamm und erzählte Kurzweiliges. 

Helga Blohm war zwischen 1989 und 1994 als Truckerin mit ihrem 40-Tonner unterwegs und hat viel erlebt.  Foto: Sabine Ackermann

Sie fährt ’n 40-Tonner-Diesel und ist die meiste Zeit auf Tour. Und sie gibt dabei ihr Bestes, Tag für Tag, rund um die Uhr.“ Finde den „Fehler“. Für die ehemalige Truckerin Helga Blohm (von 1989 bis 1994) müsste man heutzutage Gunter Gabriels Fernfahrersong von 1973 genderkonform umschreiben. Was allerdings den Inhalt des Textes betrifft, da stand die mittlerweile 70-jährige Mannheimerin den „Kerls“ in nichts nach – im Gegenteil, die Brummifahrer lenkten seinerzeit „nur“ einen 30-Tonner. „Wir sind überwältigt und überrascht, wie viele da sind“, freuen sich die Landfrauen Claudia Bayer und Anita Bötzel über weitere Mitglieder und Interessierte – beide sind im Vorstand und organisieren im Schnitt etwa alle drei Wochen eine Veranstaltung. Dann lädt Helga Blohm die rund 35 Besucherinnen auf den Beifahrersitz ihres 40-Tonners zu ihrer Erinnerungsfahrt durch Westeuropa ein. „Mama, Papa, Auto“, nennt die Buchautorin ihre ersten Worte und verrät, dass sie Spielzeugautos eindeutig Puppen vorgezogen habe.

Freiheit hinter dem Steuer

„Mit vier Jahren nahm mich mein Papa auf den Schoss, damit ich seinen VW-Käfer lenken konnte, und als meine Füße mit acht, zehn Jahren ans Gaspedal reichten, übte er mit mir das Ein- und Ausfahren in der Garage“, berichtet Helga Blohm ihren Zuhörerinnen. Nach ihrem Führerschein nahm sie regelmäßig an ADAC-Autoturnieren teil – mit Erfolg. Aus Vernunftgründen absolviert Helga Blohm zunächst eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten und arbeitet danach in einer Mannheimer Wirtschaftskanzlei: Doch die Sehnsucht nach der großen Freiheit hinterm Steuer eines Lastwagens schlummerte noch immer in ihr. „Unbedingt die Spur halten, immer geradeaus auf schmalen Wegen“, berichtet sie über ihre Fahrstunden auf dem Lkw, in denen ihre Außenspiegel „zwei Zentimeter entfernt von den Hausmauern“ waren. Auch diesen Führerschein bestand sie mit links. Mal erzählend, mal vorlesend aus ihrem Buch „Gott und mein 40-Tonner“ – man hört Helga Blohm dank ihrer deutlichen Stimme gerne zu.

Sie berichtet von ihrem ersten Abenteuer, als sie quasi über Nacht die Chance bekam, in den Beruf einzusteigen. „Die Betriebs­anleitung liegt im Lkw – gute Fahrt“, so ihr neuer Arbeitgeber, der ihr in Italien Schlüssel und Zollpapiere für die Fracht in die Hand drückte. „Ich habe kein Wort Italienisch gesprochen, aber den Lkw wieder heil abgeben“, erzählt Blohm stolz und betont: „Damals gab es ja noch kein Handy oder Navi, da sind gute Straßenkarten ganz wichtig.“

Analog unterwegs gewesen

Festgefahren auf einer matschigen Wiese, auf der das Wenden infolge der durchdrehenden Räder unmöglich war, rief sie aus Verzweiflung: „Gott, hilf mir“ – und just in diesem Moment griffen die Reifen, sie konnte weiterfahren.

„Ruf mich in der Not, Psalm 50“, fügt die gläubige Christin hinzu und erzählt fortan von Situationen, in denen ihr Gott und viele Schutzengel zur Seite standen. „Gott bewahrt mich. Ich lag mit Blutvergiftung und Nierenkrebs immer tiefer im Frieden und wusste, dass es gut geht.“ Gemeint sind damit auch ihre schönen Erfahrungen mit ihren männlichen Kollegen, die ihr immer Respekt, Wertschätzung und große Hilfeleistung entgegenbrachten. Nachdem kurz hintereinander ihre Eltern sterben, stellt Helga Blohm 1994 ihren Lkw für immer ab und verdiente ihr Geld wieder bei ihrem alten Arbeitgeber. Ihr Buch schrieb sie erst im Ruhestand.

 

Info: Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) arbeiteten 2021 in Deutschland rund 480.000 Menschen in diesem Beruf, mehr als ein Drittel (35 Prozent) war mindestens 55 Jahre alt. Auffällig gering ist mit drei Prozent (14.400) auch der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe. 2012 waren von insgesamt rund 540.000 Berufskraftfahrern rund 9000 weiblich (1,6 Prozent).