Um 22 Uhr beginnt für Miguel Ferreira die Arbeit beim Teckboten. Trotz der kalten Nachtluft ist er sommerlich gekleidet: eine kurze schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt mit „Superdry“-Aufschrift. Die Farbe gehört zur Corporate Identity seines Transport-Unternehmens. Auch sein Fiat Ducato, den er auf dem großen Parkplatz vor dem Pressehaus in Stuttgart-Möhringen abgestellt hat, ist schwarz wie die Nacht, durch die Miguel Ferreira in gut einer Stunde fahren wird.
Sein Kollege Andreas Poleretzky steht bereits in der großen Halle der Druckerei. Mit seinen Jeans und dem blauen Shirt hebt er sich ab von der betongrauen Halle. Die beiden Männer sind hellwach – und wenige Minuten nachdem sie in Möhringen eingetroffen sind schon mitten in der Arbeit.
Zuerst müssen sie die „Fremdzeitungen“ schnüren. Das sind Ausgaben überregionaler Zeitungen, wie der FAZ, der Süddeutschen oder auch der Stuttgarter Nachrichten. Dann parkt Andreas Poleretzky seinen Wagen auf der gegenüberliegenden Seite der Halle. Hier reihen sich Förderbänder aneinander. Über diese gelangen die Teckboten-Exemplare stapelweise von der Produktionshalle zu den Fahrern.
Um 23.24 Uhr blickt Andreas Poleretzky auf die Uhr. Wenn das Beladen noch länger dauert, plant er seine Route um. Wichtig ist, dass die Zustellerinnen und Zusteller nicht warten müssen. Woran die Verzögerung liegt, kann er nicht sagen: Weder eine Wahl noch ein wichtiges Fußballspiel halten an diesem Abend die aktuelle Produktion auf, und auch sonst scheint nichts vorgefallen zu sein. Zum Glück dauert das Ganze nur wenige Minuten.
Volles Auto, freie Straße
Bei Miguel Ferreira ist Abfahrt angesagt. Nur noch wenige Autos sind eine halbe Stunde vor Mitternacht auf der A 8 unterwegs. Das ist einer der Gründe, weshalb Miguel Ferreira und Andreas Poleretzky die Arbeit zur Nachtzeit schätzen. „Das wäre tagsüber gar nicht zu schaffen“, erklärt Andreas Poleretzky kurz bevor sich die Wege der Transporteure trennen. „Ich fahre liebend gern Auto und habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt Miguel Ferreira. Seit dem Jahr 2011 fahren sie im Dienste des Teckboten durch die Nacht. Sie genießen großes Vertrauen und sind oft die ersten Ansprechpartner bei Abstimmungsproblemen.
Natürlich sind die Fahrer auch abhängig vom Wetter: Besonders Schnee und Eis können ihnen zu schaffen machen. Doch das Auto im Sommer bei Vollmond und klarem Himmel auf einer einsamen Straße rollen zu lassen, das hat schon was.
Doch ganz allein sind die Fahrer auch in der Nacht nicht. Je länger sie unterwegs sind, desto häufiger begegnen sie den Austrägern, die schon auf die Zeitungen warten. Für ein paar nette Worte ist immer Zeit, doch allzu lang kann sich Miguel Ferreira nicht an den einzelnen Stationen aufhalten: Jeder Zusteller muss so schnell wie möglich beliefert werden. 36 Abladestellen hat Miguel Ferreira in dieser Nacht vor sich. Plaudert er an jeder Station ein Minütchen, muss der letzte Austräger über eine halbe Stunde länger warten.
Die erste Station ist das Dettinger Rathaus. Miguel Ferreira schnappt sich gleich mehrere Pakete auf einmal und stellt sie unter das wettergeschützte Vordach. „Ich beeil’ mich, so gut es geht – und beim Abladen bin ich schnell.“
Über den Guckenrain führt die Route weiter. Um die Austrägerin in Bissingen nicht warten zu lassen, will Miguel Ferreira eigentlich zuerst die Seegemeinde beliefern und anschließend noch mal nach Nabern zurückkehren, bevor es nach Owen weitergeht. Doch am Edeka in Nabern sieht er schon die beiden Austräger des Kirchheimer Teilorts stehen. Spontan biegt er auf den Parkplatz des Supermarkts ein und gibt den beiden den Vorzug. Die Entscheidung erweist sich als richtig: Die Austrägerin in Bissingen wartet noch nicht an der Abladestelle.
Vorsicht vor Wildunfällen
Seine Tour führt Miguel Ferreira auf die Schwäbische Alb: Auf Owen und Lenningen folgen Erkenbrechtsweiler und Hochwang. Über Ochsenwang und Schopfloch führt die Route bis hin zu Krebsstein. In dieser ländlichen Gegend kreuzen immer wieder Rehe die Straße – doch Miguel Ferreira kennt das Risiko. Auch weit nach Mitternacht ist er hochkonzentriert und steuert den großen Transporter sicher durch die Nacht. Ein Wildunfall ist nicht die einzige Gefahr, mit der er auf dieser Strecke rechnet. Auch Steine oder ganze Brocken von den Felsen können auf die Steige fallen. Neben dem Sachschaden und der Gefahr könnte auch so ein Vorfall Verzögerungen bedeuten. „Ich müsste ja die Polizei rufen und warten“, erklärt er.
Nur noch wenige Zeitungen liegen in dem schwarzen Ducato. Wie die anderen Stapel sind sie in dieser Nacht in eine Folie gepackt. „Wenn Regen angesagt ist, können wir das Papier so schützen“, sagt Ferreira. Mit dem näher rückenden Feierabend scheint sich selbst bei dem energiegeladenen Fahrer eine Spur Erschöpfung einzuschleichen. Sein letzter Arbeitsweg führt ihn zurück nach Kirchheim zum Redaktionsgebäude des Teckboten. Dort wird er die übrigen Zeitungen ablegen. Sie dienen als mögliche Reserve, falls Ausgaben geklaut werden oder aus anderen Gründen nicht zugestellt werden können. Dann hat auch er Feierabend und kehrt zurück zu seiner Familie.