Mit dem Wort epochal sollte man sparsam umgehen – doch in diesem Fall trifft es für Owen zu. Gewissermaßen findet eine Zäsur, eine Zeitenwende statt: Die Residenz des Stadtoberhaupts, das Bürgermeisterhaus direkt neben dem Rathaus, muss einem Verwaltungsanbau weichen.
Leicht hat es sich der Gemeinderat mit dieser Entscheidung nicht gemacht. Doch seit einigen Jahren ist abzusehen, dass das Rathaus aus allen Nähten platzt, ein Erweiterungsbau unumgänglich ist. Nicht zuletzt ist dies auch dem Denkmalschutz geschuldet, denn das historische Gebäude weist viele Besonderheiten auf. Deshalb durfte beispielsweise wegen des Glockenturms das Dachgeschoss nicht ausgebaut werden. Dringendere Aufgaben, wie die Sanierung der Teckhalle, sorgten für eine Verzögerung des Vorhabens. Damit die Verwaltungsmitarbeiterinnen vernünftig ihrer Arbeit nachgehen können, sind im Ratssaal jetzt Arbeitsplätze untergebracht, der Gemeinderat tagt im Herzog-Konrad-Saal.
Um wieder im Zentrum des Oberstädtles über die Belange der Teckstadt entscheiden zu können, wurde deshalb der „Planungswettbewerb Rathaus und Umgebung“ ausgelobt. Wegen der Pandemie gab es nochmals eine Zeitverzögerung, denn eine Jury sollte unbedingt in Präsenz über dieses sensible Projekt entscheiden. Dies ist nun geschehen und das Sieger-Duo steht fest, denn es galt, den Doppelpack Architektur und Landschaftsarchitektur unter einen Hut zu bringen: Hinter der doppelt anonymisierten Nummer 1008 verbarg sich das Architekturbüro Günter Hermann Architekten aus Stuttgart sowie Siegmund und Winz Landschaftsarchitekten aus Balingen. Den zweiten Platz bekam die Nummer 1012 und damit das Kirchheimer Architekturbüro Bankwitz mit Wiederkehr Landschaftsarchitekten aus Nürtingen.
„Das alte Stadtschlössle als Rathaus ist an seine Grenzen gekommen“, begrüßte Bürgermeisterin Verena Grötzinger die Gäste in der Teckhalle. Dort hingen an Stellwänden die Entwürfe, die es in die Juryentscheidung geschafft haben. Insgesamt gab es 14 teilnehmende Teams. Vor allem die Barrierefreiheit stand im Fokus des Anbaus, denn bislang führen nur Treppen – wenn auch nur wenige – ins Rathaus.
„Mit gemischten Gefühlen bin ich in den Tag der Jury-Sitzung gestartet“, gab die Stadtchefin zu. Alle Teilnehmenden seien gespannt auf die Entwürfe gewesen. Wichtiges Kriterium: Der Bau muss zum Ort passen. „Ich bin der Meinung, wir haben eine gute Entscheidung getroffen. Sie war einstimmig“, sagte sie. In der Jury saßen Sach- und Fachpreisrichter, darunter auch Dr. Tilman Sperle von der Stadtentwicklung „die Steg“. Er stellte die Pläne bei der Präsentation in der Teckhalle vor und begründete, wie es zu den prämierten Plätzen eins bis vier gekommen ist.
Viele Komponenten mussten die Planer beachten, etwa genügend Stellplätze und Freiraum für die Owener am Maientag auf dem Rathausplatz, um der bürgermeisterlichen Rede lauschen zu können, und einen multifunktionalen Ratssaal. Die Praxistauglichkeit des Entwurfs sei ausschlaggebend für den Sieg gewesen. Insbesondere der barrierefreie Eingang an der zentralen Schnittstelle zwischen beiden Gebäuden überzeugte, ebenso die Raumaufteilung für die Verwaltungsangestellten. Es ist ein modern, schlicht gehaltenes einzeln stehendes Haus, das die Firstrichtung des historischen Rathauses aufnimmt, allerdings nach vorne versetzt in den Rathausplatz ragt.
Es sei eine knappe Entscheidung zwischen erstem und zweiten Platz gewesen, so die Stadtchefin. Das Büro Bankwitz behält die Firstrichtung des Bürgermeisterhauses bei, steht also im rechten Winkel zum Rathaus. Es besteht eine gewisse Distanz zu beiden Gebäuden, weshalb der barrierefreie Zugang etwas verschwindet. Die Platzgestaltung mit Treppen brachte wegen Verletzungsgefahr ebenfalls Minuspunkte ein. „Der Siegerentwurf ist noch nicht in Stein gemeißelt. Wir sind sicher, dass wir das ein oder andere noch nachjustieren und Ideen aus dem Wettbewerb einfließen lassen können“, sagte Verena Grötzinger, die hofft, dass die Owener mit dem Ergebnis bei der Fertigstellung zufrieden sind.