Als Vergolder hat der gehörlose Muslem Bakro in Syrien früher in der Möbelfirma seines Vaters gearbeitet. Weil er wegen des Kriegs aus Syrien flüchten musste, hat der 25-Jährige sein Handwerk lange nicht mehr ausüben dürfen. Die Wendlingerin Ulrike Seiffert, die selbst in ihrer Freizeit kunstvolle Seifen herstellt, hat dem Geflüchteten Mut gemacht, sein Kunsthandwerk auch hier zu zeigen.
Da die Arbeit mit reinem Gold zu teuer wäre, haben die zwei ein Upcycling-Projekt gestartet. Bakro vergoldet Engelsfiguren und andere Stücke von Flohmärkten. „Goldig!“ heißt das Projekt, mit dem Deko-Gegenstände aufgewertet werden. Auf Facebook informieren die zwei über ihre Aktivitäten. Wichtig ist ihnen, ein Signal gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen. Derzeit arbeitet Bakro in Seifferts Werkstatt mit. Der Asylbewerber, der für drei Jahre „subsidiären Schutz“ genießt und daher in Deutschland bleiben darf, ist auf der Suche nach einem eigenen Raum, in dem er als Vergolder arbeiten darf. Er hat schon in einigen Betrieben erfolgreich Praktika absolviert und sucht nun eine feste Anstellung. Bis es so weit ist, bildet er sich selbst weiter.
Begegnung der Religionen
Damit Muslem Bakros Kunst nicht im Verborgenen bleibt, sind Seiffert und der junge Syrer zurzeit auf Weihnachtsmärkten unterwegs, um mit Besuchern ins Gespräch zu kommen. Obwohl er gehörlos ist, spricht er Deutsch. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten darf der junge Mann inzwischen auch einen Integrationskurs für gehörlose Migranten in Stuttgart besuchen. „Das hilft ihm, sich in dem für ihn fremden Land auszudrücken“, sagt Ulrike Seiffert. Die Wendlingerin, die sich im Arbeitskreis Asyl engagiert, möchte ihm auch die Möglichkeit geben, sich in seinem Beruf weiterzuentwickeln. Da engagiert sie sich unermüdlich.
Beim Tag der offenen Tür in der Hinterzimmerwerkstatt in der Wendlinger Vorstadtstraße staunten die Besucher über die Vielfalt der Arbeiten. Besonders beliebt sind derzeit die vergoldeten Engel, die die Weihnachtszeit erst so richtig stimmungsvoll machen. Mit Schlagmetall, das wie Gold schimmert, gestaltet der junge Syrer Engel, Katzen, indische Götterfiguren und auch Bilderrahmen. Da erkennt man den echten Profi. Denn der begabte Vergolder versteht es, den Glanz so matt zu zeichnen, dass die Rahmen antik wirken. Dieses Spiel mit Effekten gefällt dem Kunsthandwerker.
Dass der muslimische Asylbewerber Engel bemalt, die eigentlich Symbole der christlichen Weihnacht sind, ist für ihn kein Problem. „Es ist schön, wenn sich Menschen aller Religionen begegnen“, findet der junge Mann. Das uralte Kunsthandwerk des Vergoldens kommt aus dem Orient. Längst gibt es auch in Europa etliche Vergolder. Dass er da Brücken zwischen Kulturen schlagen darf, gefällt dem jungen Syrer, der sich intensiv mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt.
Statuetten vom Flohmarkt
Um den Stand, an dem Muslem Bakro seine vergoldete Gebrauchskunst zeigt, drängen sich viele Menschen. Sie staunen über die Muscheln und Schneckenhäuser, die mit Gold verziert sind. „Die hat Muslem selbst ausgesucht, denn das hat mit dem Hören zu tun“, sagt Ulrike Seiffert. So will der Geflüchtete, der sich in seiner neuen Umgebung oft doppelt fremd fühlt, spielerisch auf seine besondere Art der Kommunikation aufmerksam machen. Obwohl er nicht hört, liest er den interessierten Besuchern von den Lippen ab. Und er spricht Deutsch, macht sich da schon sehr gut verständlich.
Dass er von seiner Familie getrennt ist, macht den jungen Syrer traurig. Würde er zurückkehren, müsste der junge Mann trotz seiner Gehörlosigkeit zum Militär. Die Flucht war für ihn mit seiner Behinderung besonders schwer, doch er hat sich durchgeboxt. Nun sieht er es als Chance an, in Deutschland zu leben und sich da in die Gesellschaft zu integrieren. Sein großer Wunsch ist es, tanzen zu lernen - er steht auf Clubmusik, Pogo und Hip-Hop. Beim Zeltspektakel in Wendlingen war der 25-Jährige auch schon als Helfer dabei. Zwar hört er die Musik nicht, aber die Bühnenshows und der Austausch mit den Besuchern am Rande haben ihm gefallen.
Um sich in Wendlingen noch besser zu integrieren, wünscht sich Bakro eine eigene kleine Wohnung und einen Job. In der Anschlussunterbringung sind die Geflüchteten weitgehend unter sich. Dass er über Ulrike Seiffert vom Arbeitskreis Asyl nun die Chance bekommt, sein Handwerk so vielen Menschen zu zeigen, macht ihn sehr glücklich.