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Mit lachendem und weinendem Auge

Verabschiedung Nach 13 Jahren verlässt Pfarrer Roland Conzelmann Jesingen. Beim Abschiedsgottesdienst war die Petruskirche brechend voll. Für die Nachfolge hinterlässt er große Fußstapfen. Monika Läufle

Na so was, Stau an der Eingangspforte? „Wie Weihnachten“, hört man eine Dame flüstern, die noch versucht, sich einen Sitzplatz zu ergattern. Doch vergeblich, alle Plätze sind gefüllt und so bleiben die Menschen im Kirchenschiff stehen oder wählen unkonventionelle Sitzplätze wie direkt vor der Kanzel.

Ob die Kirche immer so voll ist? „Klar“, antwortet Pfarrer Conzelmann und lächelt verschmitzt. Ist sie nicht. Der Grund, warum die Kirche heute brechend voll ist, ist er. Es ist sein letzter Gottesdienst, den er für die Gemeinde hält. Bis zuletzt kümmert er sich um seine Schäfchen. Ob man noch eine Bierbank hineinbringen soll, fragt er eine junge Familie, die sich im Altarraum auf den Boden setzt. Als sie verneinen, bietet er ihnen kurzerhand seinen Platz an. Immerhin, so versucht er die Familie zu überzeugen, stehe er im Gottesdienst eh die meiste Zeit.

Diese zwei Episoden kurz vor Gottesdienstbeginn zeigen gut, warum die Jesinger Pfarrer Conzelmann vermissen werden: Er hilft, wo er kann und hat dazu noch Humor. Kein Wunder, dass der Kirchenmann so beliebt ist. So ist auch bei seinem letzten Gottesdienst die Stimmung heiter — immer wieder lacht die Gemeinde herzhaft über Conzelmanns Scherze und applaudiert ihrem Pfarrer mit lang anhaltendem Applaus.

Weder Posaunenchor noch Kirchenchor lassen es sich nehmen, den Abschiedsgottesdienst musikalisch zu gestalteten. Damit schließt sich der Kreis. Conzelmann erinnert sich gut daran, dass beide Gruppen ihn und seine Familie 2006 musikalisch begrüßt haben, als er nach Jesingen kam. Da war sein jüngster Sohn, der heute Student ist, übrigens erst sieben. „Wahnsinn, was mir damals als Pfarrer an Vertrauen entgegengebracht wurde“, erinnert er sich.

Dass der Vertrauensvorschuss gerechtfertigt war, zeigt sich beim anschließenden Stehempfang. Nach dem Gottesdienst wandert die Gemeinde Richtung Gemeindehaus. Auch dort ist der Saal brechend voll. Wer keinen Platz findet, schaut von außen durch die Fenster. Obwohl jede Rede und jeder Sketch kurz ist, dauert es fast zwei Stunden, bis sich alle Gruppen und Kreise bei Familie Conzelmann bedankt haben. Ortsvorsteher, Lindachschule, Minigottesdienst-Team, Jungschar, die Kette, Theatergruppe, Hauskreise, Vereine, sogar eine Abordnung der katholischen Kirchengemeinde kommen vorbei und nutzen die Chance, zu betonen, wie sehr sie die Zusammenarbeit mit dem Pfarrer genossen haben.

Die gute Nachricht: Falls die Sehnsucht zu groß ist, hat man die neue Einsatzstätte in wenigen Autominuten erreicht. Beuren liegt nur 13 Kilometer entfernt. Das könnte man im Notfall zu Fuß erreichen. „Ihn lockt das Wasser des Thermalbads“, singt der Kirchenchor, der als Überraschung ein Lied umgedichtet hat. Vielleicht schafft er es dort in der Therme endlich, das Stück „Arche Noah“ zu inszenieren, vermutet ein anderes Gemeindemitglied. Alle Gruppen kündigten an, Familie Conzelmann zu besuchen. Und zum Fußball schauen sei Conzelmann, der ein großer Fußballfan ist, natürlich jederzeit eingeladen, nach Jesingen zurückzukehren. Man merkt schon, so ganz wollen die Jesinger ihren Pfarrer noch nicht loslassen.

Und das, obwohl Pfarrer Conzelmann eigentlich gar nicht nach Jesingen wollte, wie er ganz am Ende verrät. Nur seiner Frau war es zu verdanken, dass er dem Ort eine Chance gab. Wie sich herausstellte, eine gute Entscheidung. Ein Nachfolger ist übrigens noch nicht gefunden. Beim ersten Aufruf gingen keine Bewerbungen ein, ein zweiter Aufruf folgt in ein paar Wochen. Man sei optimistisch, sagt Kirchengemeinderatsvorsitzender Werner Klein, dass man bis Ende des Jahres einen neuen Pfarrer gefunden habe. Eines ist jedoch jetzt schon gewiss: Die Messlatte für den Nachfolger ist sehr hoch.