Hobby
Mit Wera Graf zurück ins Mittelalter

In ihrem Häuschen in Ohmden betreibt Wera Graf seit ein paar Monaten einen kleinen Mittelalterladen, in dem sie teils selbst gemachte Nachbildungen altertümlicher Kleidung und Gegenstände verkauft.

Ihren Stand hat Wera Graf noch aus der Zeit, in der sie häufig für Märkte umherreiste. Foto: Fiona Peter

Fließendes Wasser, Strom aus der Steckdose und wohlige Wärme auf Knopfdruck: Im 21. Jahrhundert ist das Leben in vielerlei Hinsicht komfortabler als noch vor einigen Jahrhunderten. Dennoch faszinieren und inspirieren vergangene Zeiten, als Elektrizität ein Fremdwort war, als über dem Feuer statt auf dem Herd gekocht wurde und man auf Pferden statt mit dem Auto reiste, zahlreiche Menschen – Wera Graf ist eine von ihnen. In Ohmden hat sie daher Ende vergangenen Jahres einen kleinen Laden eröffnet, in dem sich Fans der Ära mit mittelalterlichen Klamotten und Gebrauchsgegenständen eindecken können.

Ich habe dringend etwas gebraucht, das mich aufmuntert.

Wera Graf, Betreiberin eines Mittelatlerladens

Das Mittelalter hat schon seit mehr als zehn Jahren einen festen Platz in ihrem Herzen. Damals besucht sie gemeinsam mit einem ehemaligen Partner regelmäßig Mittelaltermärkte und ist ein Jahr lang Teil eines Vereins aus leidenschaftlichen Mittelalterfans, die den Alltag um das Jahr 1200 nachspielen. Ganz nach dem Motto „Back to the roots“ nimmt die Truppe jeweils drei Tage lang Abschied von jeglichen modernen Annehmlichkeiten. Es wird geschlafen, gekocht und gearbeitet wie im Mittelalter. „Das konnte wirklich hart sein, und die Nächte waren kalt, aber es war ein sehr intensives Lebensgefühl“, erinnert sich Wera Graf, die ihr mittelalterliches Alter Ego auf den Namen Wera van Ohmdum getauft hat.

Den Dachboden nutzt Wera Graf nicht nur als Verkaufsraum, sondern auch als Werkstatt. Foto: Fiona Peter

Neben einigen wertvollen Lektionen über die Realität des altertümlichen Lebens hat sie aus dieser Zeit auch eine Liebe für handwerkliche Arbeit mitgenommen. „Ich habe zum Beispiel gelernt, wie man sich eigene Kleider, eine Tasche oder ein Zelt näht“, erzählt Wera Graf. Diese Leidenschaft verfolgt die Ohmdenerin auch nach einem zeit- und kostenbedingten Austritt aus dem Verein weiter. Sowohl Graf als auch ihr damaliger Partner melden ein Nebengewerbe an und verkaufen ihre Kunst eine Zeit lang auf Märkten und Festen – sie arbeitet mit Leder, er baut Bögen.

Ohmdener Jubiläum schafft den Anreiz

Nach der Geburt ihres Sohnes ist damit jedoch erst einmal Schluss; die Lederwaren werden durch Windeln und Strampelanzüge ersetzt. 2016 wird Wera Graf stolze Eigenheimbesitzerin: Das mittelalterlich angehauchte Häuschen im beschaulichen Ohmden renoviert sie übrigens vollständig selbst.

Ihr altes Hobby hat die studierte Sozialpädagogin erst jüngst in einer für sie schwierigen Zeit wiederentdeckt. „Ich habe dringend etwas gebraucht, das mich aufmuntert“, berichtet Wera Graf. Anlässlich des kommenden Jubiläums zum neunhundertjährigen Bestehen der Gemeinde Ohmden beschließt die Mittelalter-Enthusiastin Ende vergangenen Jahres, die alten Lederwaren aus ihrem staubigen Karton-Verließ im Keller zu befreien. Diese Entscheidung bringt den Stein ins Rollen. Die Idee eines eigenen Mittelalterladens ist geboren.

Von Leder bis Leinen

Um ihr Sortiment aufzustocken, sei sie geradezu in den Kaufrausch verfallen, erzählt Wera Graf belus­tigt. Dann habe sie gleich das Gewerbe angemeldet und im Obergeschoss einen Verkaufsraum eingerichtet. Seit Februar ist vor dem Haus zudem ein Marktstand aufgebaut. Dort gibt es alles, was das Zeitenbummler-Herz begehrt: authentisch historische Lederwaren, Schuhe, Kleider, Schmuck, Trinkhörner und mehr.

Nicht alles, aber manches hat sie selbst gemacht oder ­upgecycelt. Natürlich, so Graf, sei das ziemlich aufwendig, weshalb sie sich tendenziell unter Wert verkaufe. „Es macht aber auch einfach Spaß. Da kommt meine künstlerische Ader durch, die im Beruf manchmal zu kurz kommt.“ Bei der Herstellung der mittelalterlichen Sachen kommen ihr die Erfahrungswerte aus dem Vereinsleben zugute, Inspiration nimmt sie auch aus Büchern. Damit jeder fündig wird, hat sie sich sowohl hinsichtlich der verschiedenen Größen als auch in Bezug auf die verschiedenen mittelalterlichen Rollen breit aufgestellt. Egal, ob einfache Magd oder Adelsdame – Wera Graf hat ein passendes Outfit parat. 

Zu ihrem Sortiment zählen auch einige Artikel, die zwar nicht 100 Prozent authentisch sind, sich aber dennoch gut für ein mittelalterliches Kostüm eignen. Foto: Fiona Peter

Der Mittelalterladen in der Böhmlestraße 18 hat jeden Freitag von 14 bis 17 Uhr für Laufkundschaft geöffnet. Außerdem ist Wera Graf mit ihrem Stand auf einigen Märkten anzutreffen. Bereits feststehende Termine in diesem Jahr sind am 30. März beim Künstlermarkt, am 28. September beim Zähringer-Markt und am 7. Dezember beim Adventsmarkt; alle drei finden in Weilheim statt.