Hätte sich plötzlich die Tür geöffnet und aus dem Wagen wäre ein kleiner Hobbit ausgestiegen – gewundert hätte das womöglich keinen mehr. Der von der Firma Weg-Weiser in Breisach am Rhein gefertigte Wagen für den neuen Neidlinger Naturkindergarten im Hobbit-Design würde nämlich perfekt in einen Freizeitpark oder eine Filmkulisse passen. Was herauskommt, wenn eine Holzmanufaktur ihr Tun von Herzen liebt, das zeigt dieser Wagen. Seine Gestaltung ist bis ins kleinste Detail liebevoll, hochwertig und durchdacht. Das Tüpfelchen auf dem i: Die Architektin Petra Feller hatte von einer anderen Baustelle einen Falken gerettet, passend zum Namen der künftigen Kindergartenkinder: Sie werden nämlich nicht Hobbits, sondern Falken sein, denn der Kindergarten heißt „Falkennest“. Sie brachte das Mosaik nach Breisach und die Manufaktur baute es ein.

Als die Leiterin Anke Frasch-Rehberg das erste Mal in dem Häuschen war, war sie zugleich ganz aus dem Häuschen. Gemeinsam mit ihrer Fachkraft Melanie Rau und der Auszubildenden Franziska Rutz wurde alles gründlich bestaunt: Schubladen aufziehen, Schränke anschauen, den Falken bewundern und die Trockentoilette inspizieren. „Wir hören den Ruf der Natur“, beschrieb die Leiterin die gemeinsame Begeisterung für die neue Aufgabe.
Moderne Technik verbaut
Der sechseinhalb Tonnen schwere Wagen hat es auch in dem in sich, was man nicht beim ersten Blick sieht. Er ist mit Hanf und Holzweichfaser gedämmt und hat Isolierglasfenster. Er hat ein Photovoltaikpanel auf dem Dach, einen Stromspeicher, LED-Beleuchtung und eine Stromkochplatte. Geheizt wird mit einem Holzofen. Die Möbel aus massivem Kirsch- und Nussbaumholz werden extra geliefert, sie wären sonst beim Transport des Wagens womöglich beschädigt worden.

Um 10 Uhr am Montagvormittag war der Schlepper samt Begleitfahrzeug in Breisach gestartet. Ab der Autobahnausfahrt wurde er von einem Polizeifahrzeug nach Neidlingen begleitet. Dort gab es dann ein Problem: Das Abladen außerorts war ohne eine Straßensperrung nicht zulässig, trotz Begleitfahrzeug und Polizei. Die Lösung war ganz einfach: Der Schlepper fuhr ein kleines Stück rückwärts, bis hinter das Ortsschild. Dort übernahm der Neidlinger Bauhof, der fast in Komplettbesetzung angerückt war. Er zog den Wagen hinauf zum Standplatz. Das Rückwärtsrangieren auf engstem Raum zwischen Bäumen, im Gefälle und mit nur 44 Zentimetern Bodenfreiheit war eine wahre Meisterleistung von Bauhofmitarbeiter Daniel Burkhardt. Der Bauhof wird bis zur Betriebsaufnahme auch noch für den Unterlaufschutz und die Notfalltreppe sorgen.
Betrieb startet Anfang Mai
Bis die Endabnahme und die Genehmigungen alle erledigt sind, rechnet Neidlingens Bürgermeister Jürgen Ebler mit Ende April bis Anfang Mai. Die Nachfrage ist groß, für die 20 Plätze gibt es bereits 17 Interessenten. In dieser Woche beginnen die verbindlichen Anmeldungen. Die verbleibenden Wochen sind für Anke Frasch-Rehberg ein kleines Zeitfenster, ihre Bewerbung für die Stelle liegt nun gut zwei Jahre zurück. Immer wieder gab es Verzögerungen, für die die Gemeinde Neidlingen nichts konnte. So hatte die Breisacher Manufaktur Probleme mit ihren Zulieferern. Das Gesundheitsamt bestand auf einer zweiten Toilette für die Erzieherinnen. Diese Trockentoilette hat ihre Heimat in einem klassischen Klohäuschen gefunden, etwas hinter einem Baum versteckt und natürlich mit Herzchen.

Vor Jahrzehnten wurde am Standort des Naturkindergartens Minigolf gespielt. Die Bäume von damals sind inzwischen groß geworden und werden den Kindern im Sommer Schatten spenden. Wer hier als Kind im Naturkindergarten war, wird das ein Leben lang nie vergessen. Beinahe hätten wir ja etwas vergessen: Das Schmuckstück aus Mittelerde kommt die Gemeinde nur überschaubar teurer als ein ganz normaler Bauwagen, ohne Hobbit-Charme.