Das Interesse ist groß. Viele Neidlingerinnen und Neidlinger sind in die Ortsmitte an der Hauptstraße gekommen und feiern den Spatenstich des Betreuten Wohnens. Mehrere und aufregende Jahre liegen hinter den Gesellschaftern des Projekts, dessen Geschäftsführer Klaus Däschler ist – bis vor wenigen Monaten Bürgermeister des Reußensteinorts. Damit wird deutlich: Viele ziehen an einem Strang. Der Gemeinderat befürwortet den Bau ebenso wie viele Bürgerinnen und Bürger im Ort, auch die Investoren sind aus Neidlingen.
„Es ist ein wirklich schönes Ereignis, auf das wir alle lange hingearbeitet haben“, sagt Klaus Däschler. Er steht nahe der Kante zum großen Aushubloch samt Bagger und erinnert an den Beginn des wegweisenden Vorhabens. Im Sommer 2016 hat die Gemeinde das Gebäude an der Weilheimer Straße erworben. „Betreutes Wohnen Neidlingen“ sollte an dieser Stelle realisiert werden. Rund ein halbes Jahr später ergab sich die Möglichkeit auch das Nachbargebäude in der Mühlstraße zu kaufen, was zur Gründung der Gesellschaft „Betreutes Wohnen Neidlingen“ führte. „In den vergangenen sechs Jahren wurde akribisch an der Realisierung dieses nachhaltigen und für Neidlingen wichtigen Projekts gearbeitet“, erklärt Klaus Däschler. Lange musste auf die Entscheidung der KfW-Bank gewartet werden, doch die Geduld zahlte sich aus. 500 000 Euro wurden bewilligt und damit fiel der Starschuss für den Bau.
Gegenüber dem „Lamm“ entstehen 13 altersgerechte Wohnungen mit einer Größe zwischen 50 und 100 Quadratmetern, auch ein Café als Treffpunkt ist geplant. Nach jetzigen Stand wird es eine Investition von etwa 4,5 Millionen Euro sein – die erste „Hochrechnung“ belief sich auf rund drei Millionen Euro. Dass nun endlich der Spatenstich stattfinden kann, darüber freut sich Mitgesellschafterin Stefanie Luik. Viel Herzblut und Zeit sei in der Projekt gesteckt worden. Über die Zukunft macht sie sich keine Sorgen: „Viele wollen hier ehrenamtlich tätig werden.“
„Innovativ, barrierefrei und nachhaltig – das sind die drei Schlagworte, die diesen Bau charakterisieren“, sagt Bürgermeister Jürgen Ebler. Richtungsweisend und entscheidend sei dieses Projekt, das mit der Gründung der Gesellschaft einen Schulterschluss vieler Beteiligten darstelle. „Wir wollen für unsere älteren Mitbürger da sein“, betont er.
Pfarrerin Ute Stolz erzählt von eine Episode mit dem Filmteam, das gerade den dritten Teil der „Bestatterin“ in Neidlingen dreht. Ob es an der Luft oder am „Mooschd“ liege, dass es in Neidlingen so viele über 90-Jährige gibt, sei sie gefragt worden. „Wahrscheinlich beides“, habe sie geantwortet. Die Pfarrerin freut sich über die Anlage für betreutes Wohnen mitten im Ort – „dort, wo man das Alter sieht, wo es nicht versteckt wird“. Künftig finden hier Menschen ein Zuhause, die zu Hause nicht mehr leben können. „Ich wünsche mir, dass dieses Haus ein Ort der Begegnung wird, im Idealfall zwischen Jung und Alt. Unsere Aufgabe wird es sein, dieses Haus mit Leben zu füllen – mit lebenswertem und buntem Leben“, ist sie sich bewusst und sagt: „Altern ist keine Krankheit und nichts, dessen man sich schämen müsste.“ Deshalb findet sie den Ort gut gewählt, denn niemand müsse sich verstecken. Wichtig und entscheidend sie, wie diese Menschen leben und vor allem, wie man mit ihnen umgeht, wenn sie auf Hilfe angewiesen sind.
„Wir freuen uns, dass es endlich losgeht“, sagt Architektin Ann-Kathrin Stolz. Das lange Warten auf den Bescheid der KfW-Bank habe die Geduld von vielen Beteiligten auf eine harte Probe gestellt. Einige Stunden des Nachdenkens habe auch die Diskussion über das Budget gekostet, doch die Planungsphase sei super spannend und „extrem herausfordernd“ gewesen. „Der Platz sieht riesig aus. Aber wir sind ein Dorf. Wir wollten nicht einfach nur einen Klotz hinstellen“, so Ann-Kathrin Stolz. Zwei Häuser, die in der Mitte verbunden sind, sollen die dörfliche Struktur zum Ausdruck bringen. Bei den derzeitigen Lieferengpässen will sie sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, geht jedoch davon aus, dass Mitte 2024 die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einziehen können. „Im kleinen Neidlingen kann dann das Kreislaufkonzept verwirklicht werden: Den Lebensabend können die Neidlinger künftig hier genießen – und das zu groß gewordene Eigenheim an junge Familien übergeben“, sagt sie.