Sein Wunsch ist klar: Der Wähler möge nicht taktisch vorgehen, er soll sich inhaltlich entscheiden. So wie er selbst seinerzeit: „Ich bin rein aus inhaltlichen Gründen in die Politik gegangen und stehe für urgrüne Positionen“, betont Matthias Gastel. Und damit will der eingefleischte Grüne im Schlussspurt noch Menschen überzeugen.
Denn der Wahlausgang ist nach seiner Einschätzung noch völlig offen, und zwar in vielerlei Hinsicht: Offen ist nicht nur das Wahlergebnis, sondern auch eine mögliche neue Koalition, offen ist aber auch seine persönliche Zukunft. Mit Listenplatz zehn erlebte der Filderstädte vor vier Jahren einen Wahlkrimi. Mit über die Ohren gezogener Bettdecke zitterte er sich zu später Stunde in der Wahlnacht zum Berlin-Ticket. In der Bundeshauptstadt bekam er schnell festen Boden unter den Füßen: Matthias Gastel hat sich längst zum Verkehrsexperten gemausert, als Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur anerkannt beileibe nicht nur in seiner eigenen Fraktion, deren bahnpolitischer Sprecher er ist. Vier Jahre später steht er nun im Land wieder auf Listenplatz zehn.
Quelle: Carsten Riedl
Doch die Prognosen für die Grünen verheißen eher Verluste. Einen Plan B hat Gastel nicht, dazu ist er zu sehr aus vollem Herzen Politiker. Außerdem stellt er klar, dass er das, was er macht, stets richtig macht: „Zuletzt war ich selbstständig - die Firma habe ich übergeben, und Nebeneinkünfte hatte ich als Abgeordneter nie.“ Ganz abgesehen vom eigenen Schicksal, setzt Gastel darauf, dass grüne Ideen die Wähler überzeugen. Für ihn käme es einem schlechten Witz gleich, wenn in einem Land, in dem Verkehrs- und Infrastrukturprobleme derart auf den Nägeln brennen, ausgerechnet der Verkehrsexperte aus dem Bundestag gewählt würde.
Eine der Ideen, mit denen er die Bürger gewinnen und ihnen letztlich das Leben erleichtern will, ist der Mobilpass. Das Tarifsystem im ÖPNV ist teuer und kompliziert, das ärgert den Bahn- und Busnutzer täglich, und er kann das mit einem aktuellen Beispiel aus dem eigenen Wahlkreis bezeugen: Fährt er von seiner Wohnung auf den Fildern nach Kirchheim, kann die Zahl der durchquerten Zonen je nach genutzter Buslinie um zwei ganze Zonen abweichen. Die Idee der Grünen würde das Reisen zwar nicht unbedingt billiger machen, aber einfacher: Mit einer App soll eine Fahrt über viele Verkehrsverbünde hinweg organisiert und bezahlt werden können. „Das lässt sich schnell organisieren, die 137 Tarif-Verbünde in Deutschland werden wir dagegen nicht so schnell abschaffen“, sagt der Fachmann. Investitionen in Schienenprojekte und Fahrzeuge hält Gastel ebenfalls für enorm dringlich und verspricht sich politisch Rückenwind durch die Engpässe aufgrund des Tunneldebakels und der Streckensperrung bei Rastatt. Das Thema ÖPNV bringt ihn in Rage, vor allem die Tatsache, dass sich in der Hauptverkehrszeit Autos auf den Straßen stauen, in denen nur eine Person sitzt, während Busse und Bahnen vollgestopft und überlastet sind. „Der Bundesverkehrswegeplan muss einige Straßenprojekte raus- und dafür Schienenprojekte reinnehmen“, betont er und hat dabei beileibe nicht nur die Personenbeförderung im Blick. Was Güter anbelangt, laufen in Deutschland nur 17 Prozent des Verkehrs über die Schiene. In Österreich und der Schweiz ist die Zahl doppelt so hoch. Der Schaden in Rastatt macht dies voraussichtlich nicht besser: Gastel fürchtet, dass längst nicht der gesamte Gütertransport, der derzeit zwangsläufig über LKW-Speditionen abgewickelt wird, auf die Schiene zurückfindet.
Doch Gastel ist zwar ein Grüner ohne eigenes Auto, aber keiner, der das Auto generell verbannen will. „Wir brauchen den technologischen Wandel“, drängt er lautstark auf Innovation. Und an die Adresse des politischen Gegners: „Wer das hinauszögert, gefährdet Arbeitsplätze.“
Fahrverbote will Gastel so gering wie möglich halten - eben gerade soweit es für den Schutz der Gesundheit von Menschen, die an verkehrsreichen Orten leben, nötig sei. Ganz ohne werde es nicht gehen, denn die Grenzwerte würden seit Jahren überschritten, sodass die Geduld der Gerichte am Ende sei. An manchen Orten, da ist sich der Grüne sicher, dürfte schon die Umrüstung der Software, wie auf dem Dieselgipfel beschlossen, Fahrverbote verhindern. - Nicht jedoch in Städten wie Stuttgart. Wie Landesvater Winfried Kretschmann steht auch Gastel voll hinter der Blauen Plakette: „Diese Plakette ist wichtig und richtig“, argumentiert er. Nur auf diese Weise schaffe man eine einheitliche Regelung in den unterschiedlichen Städten, lautet sein Hauptargument. Im Übrigen gehe es um Anreize, Autos mit modernen Antriebssystemen zu kaufen.
Nach vier Jahren Bundestag hat Gastel natürlich nicht nur zum Verkehrswesen Ideen. Zur Bekämpfung der Wohnungsnot fordert er mehr sozialen Wohnungsbau und Einsparungen durch standardisiertes Bauen in diesem Bereich. Steuerliche Anreize könnten das private Bauen fördern. wobei Gastel auch viel davon hält, an die Besitzer leer stehender Häuser zu appellieren: „Wenn Oberbürgermeister aufrufen, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, steigt der soziale Druck“, hofft er auf Umdenken in der Gesellschaft.