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Mord in malerischen Gassen

Literatur Der Krimi-Autor Klaus Wanninger macht Esslingen zum Schauplatz spannender Geschichten, weil für ihn dort das wahre Leben pulsiert. Von Alexander Maier

Bei Mord und Totschlag denken viele an Metropolen wie New York und Chicago – oder an deutsche Großstädte wie Berlin, Frankfurt oder München. Doch in jüngerer Zeit haben sogenannte Regionalkrimis zusehends Freunde gewonnen. Weil vielen Leserinnen und Lesern die Schauplätze vertraut sind, weil die Figuren dank regionaler Eigenheiten Ecken und Kanten haben, weil manchmal ein heimischer Zungenschlag anklingt – und weil die Ermittler so wirken, als könnte man ihnen am Stammtisch begegnen. Einer der produktivsten Regionalkrimi-Autoren ist Klaus Wanninger. Seine Schwaben-Krimi-Reihe bringt es auf stolze 23 Titel, von denen viele auch in Esslingen spielen. Die einstige Reichsstadt zählt zu den bevorzugten Revieren von Klaus Wanningers Ermittlern. Und das hat seinen guten Grund.

Wanninger ist viel in der Region unterwegs. Wenn der einstige Studienrat einen Ort besucht, schaut er genau hin, weil jeder Winkel früher oder später zur Krimi-Kulisse werden könnte. Manche Regionalkrimi-Autorinnen und -Autoren streuen einfach ein paar Ortsnamen ein in der Hoffnung, damit die lokale Leserschaft zu interessieren. Davon hält Wanninger wenig: „Leserinnen und Leser merken rasch, ob man nur mit Namen spielt oder ob man sich mit einem Ort, seiner Geschichte und seinen Besonderheiten beschäftigt hat.“ Bei ihm spielen Schauplätze oft tragende Rollen. Vieles hat er im Kopf gespeichert: die Köngener Ortsbücherei, die Wendlinger Fußgängerzone mit ihren raumgreifenden Pflasterflächen, in Plochingen das Bahnhofsviertel, die Marktgasse und das Hundertwasserhaus – ein Ortsname genügt, und prompt hat Klaus Wanninger alles plastisch vor Augen.

„Esslingen hat es mir angetan“, verrät er. „Manche Altstädte erinnern mit ihrem puppenstubenartigen Charakter an Disneyland. Esslingen hat ein eigenes Flair. Natürlich gibt es Ecken wie aus dem Bilderbuch. Aber hier pulsiert auch das wahre Leben. Die Stadt hat eine reiche Historie, und sie ist ein Spiegel unserer modernen Welt. Gehen Sie mal von der Altstadt in Richtung Bahnhof. Da gibt es Bereiche, die ziemlich ruppig wirken. Das macht Esslingen lebensnah.“ Seit seinem zweiten Regionalkrimi „Schwaben-Messe“ schickt Wanninger seine Kommissare Steffen Braig und Katrin Neundorf häufig nach Esslingen. Allerdings schränkt er augenzwinkernd ein: „Mir fallen hier viele Anknüpfungspunkte ein. Aber ich will nicht, dass Esslingen als vermeintliche Stadt des Verbrechens in Verruf gerät.“

Manche Leser tun deutschsprachige Regionalkrimis gern als etwas provinziell ab. Wanninger pflegt dieses Genre ganz bewusst: „Vor 25 Jahren, als ich zu schreiben begann, brachten die großen Verlage vor allem Krimis aus Schweden oder den USA in den Handel. Mir war das zu weit weg.“ Negativerfahrungen gebe es schließlich überall, auch wenn sich die Kriminalität in der schwäbischen Provinz harmloser zeige als in Chicago. Wanninger empfindet jeden guten Kriminalroman als eine Art Regionalkrimi, weil er in einer bestimmten Umgebung spielt und im besten Fall deren Besonderheiten aufnimmt. „Passiert etwas in einem vertrauten Umfeld, berührt einen das viel stärker“, findet der Autor. „Ein guter Regionalkrimi erzählt nicht nur ein paar lustige Geschichten, sondern vermittelt ernsthafte Inhalte. Wenn ich mir manche Krimiserien im Fernsehen anschaue, gibt es im Titel einen regionalen Bezug. Die Geschichten sind oft jedoch austauschbar und haben mit der jeweiligen Region nicht viel zu tun.“

Wanninger schätzt Esslingen als eine wunderschöne Stadt und meint: „Zu diesem Ambiente passt eine Schandtat wie ein Mord wie die Faust aufs Auge. Da wirkt Kriminelles umso stärker.“ Wenn er Historisches einbauen kann, tut er das umso lieber: „Leider geht das Bewusstsein für unsere Vergangenheit gerade bei jungen Menschen immer mehr verloren. Das finde ich verheerend. Gerade eine Stadt wie Esslingen hat so eine interessante Geschichte. Verbrechen gab es auch früher.“ Der Vorwurf einer älteren Dame von der Alb, als Badener lasse er seine Verbrechen wohl nur in Württemberg spielen, um die Schwaben in Verruf zu bringen, lässt Wanninger indes schmunzeln.

Wenn der Autor zur Recherche in eine Stadt kommt, hat er die groben Züge seiner Geschichte bisweilen schon im Kopf. Manchmal entdeckt er beim Rundgang das passende Ambiente. Genauso ist es möglich, dass er einen bestimmten Ort wie die Burgstaffel oder die Wasserräder am Kesselwasen im Hinterkopf hat und dazu die passende Episode kreiert. Gern greift er auch brandaktuelle Themen auf – wie in seinem jüngsten Krimi „Schwaben-Zukunft“. Der spielt in 50 Jahren und zeigt, was aus dieser Region werden kann, wenn der Klimawandel nicht aufgehalten wird: Inspiriert von wissenschaftlichen Untersuchungen zeichnet Wanninger eine düstere Kulisse, vor der sich sein Kriminalfall abspielt: Der Neckar ist nur noch ein Rinnsal, der Albtrauf wirkt wie eine graue Mauer, Wiesen sind verdorrt, ein Unwetter löst einen Erdrutsch in Esslingen aus, der die Burg schwer beschädigt. Die historischen Gassen hat der Autor allerdings bewusst verschont: „Die Esslinger Altstadt ist ein Juwel in der ganzen Region. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, diesen Schatz zu ruinieren.“

 

Ein Schriftsteller macht Esslingen zum Tatort

Der Autor Klaus Wanninger wurde 1953 in Karlsruhe geboren und lebt heute mit seiner Frau Olivera in Backnang. Er hat als Studienrat an einem Gymnasium unterrichtet und bereits rund 40 Bücher veröffentlicht. Seine erfolgreiche Schwaben-Krimi-Reihe umfasst bislang stolze 23 Romane mit einer Gesamtauflage von mehr als 700 000 Exemplaren – und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Krimis In seinen Kriminalromanen sucht Wanninger stets lokale und regionale Anknüpfungspunkte. In Esslingen wird er auf Schritt und Tritt fündig. Nur einige Beispiele von vielen: In Wanningers jüngstem Krimi „Schwaben-Zukunft“ hat ein Hangrutsch an der Burg in ferner Zukunft verheerende Folgen. In „Schwaben-Messe“ wird in den Weinbergen unterhalb der Burg eine Leiche entdeckt. In „Schwaben-Fest“ wird Kommissar Braig auf der Suche nach einem wichtigen Zeugen in der Oberen Beutau raffiniert ausgetrickst. In „Schwaben-Teufel“ trifft der Ermittler Braig mitten in der Altstadt den Freund eines Getöteten und stößt dort durch einen Artikel der Eßlinger Zeitung auf Hinweise, die ihn zum Täter führen. In „Schwaben-Donnerwetter“ besucht der frisch aus Berlin zugezogene LKA-Kommissar Loose das Lokal „Emil“ und wird zum glühenden Verehrer des Esslinger Altstadtflairs. In „Schwaben-Nachbarn“spielen die Katharinenstaffel und die Esslinger Maille eine wichtige Rolle. Und in „Schwaben-Ehre“ wird er Kommissar Braig von städtischen Gärtnern in der Maille über einen peinlichen Ermittlungsirrtum aufgeklärt. adi