Wolfschlugen. Seit einem Jahr und drei Monaten wird am Stuttgarter Landgericht die Insolvenz des Windpark-Entwicklers Windreich verhandelt. In dieser Woche wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen, und die Staatsanwaltschaft hielt ihr Plädoyer. Sie fordert für den angeklagten Firmenchef Willi Balz eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.
Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der 60-jährige Balz Bilanzen unrichtig dargestellt und für sein Unternehmen zu spät Insolvenz angemeldet hat. Über einen Zeitraum von einem Jahr und vier Monaten habe Balz sein Geschäft weiter betrieben, obwohl klar gewesen sei, dass die Liquidität nicht ausreiche, um die Verbindlichkeiten zu decken. Dabei sei ein enormer Schaden entstanden. Mit geschönten Bilanzzahlen habe er Kredite eingeworben und bei Anlegern Geld eingesammelt.
Dabei habe Balz stets gewusst, was er tat, so Oberstaatsanwalt Heiko Wagenpfeil in dem rund fünfstündigen Plädoyer. Im Prozess habe Balz sich jedoch als Person gezeigt, die die Schuld bei anderen suche. „Seine impulsive und dominante Art bekamen wir hier zu sehen“, so Wagenpfeil. Balz sei nicht „gescheitert worden“, wie er selbst immer behauptet habe: „Er ist gescheitert.“
In Balz’ Einlassungen habe man „viel gehört, wie es hätte sein können“, so bei der Frage der Bewertung der Windparkprojekte. Bei der juristischen Betrachtung gehe es aber nur um Tatsachen, da zählten keine abstrakten Werte wie zu erwartende Stromerlöse oder Verkaufserlöse, betonte die Staatsanwaltschaft.
Der von Balz häufig genannte Vorwurf, erst die Durchsuchung der Geschäftsräume im März 2013 habe die Insolvenz verursacht, sei in der Hauptverhandlung widerlegt worden. Schon 2010 habe das Unternehmen erhebliche Verluste gemacht. Spätestens Ende März 2012 sei die Insolvenz eingetreten.
Neben der Frage der objektiven Schuld gehe es auch um die subjektive Schuld des Firmeninhabers. Seine Beteuerung, er habe sich auf das Urteil seiner Berater verlassen, reiche daher nicht: „Für den Vorsatz reicht es aus, die Bedeutung seines Handelns zu erfassen.“ Balz habe alles dem Zweck der Windreich AG untergeordnet: „Er brauchte gute Zahlen.“ Es sei ihm darum gegangen, nicht nur Entwickler der Windparks zu sein, sondern diese auch zu betreiben. Dabei habe er „den Blick verloren für das, was der Markt bereit war zu zahlen“. Zu lange habe Balz an Projektrechten festgehalten, anstatt sie zu verkaufen.
Balz sei die dominante Persönlichkeit im Unternehmen gewesen: „Er traf die letzte Entscheidung über finanzielle Fragen.“ Kritische Meinungen habe er weggewischt.
Bestätigt sieht die Staatsanwaltschaft zudem die Vorwürfe von besonders schwerem Betrug in mehreren Fällen, Veruntreuung und Insiderhandel. So zum Beispiel im Fall eines mutmaßlich doppelt sicherungsübereigneten Maseratis aus seinem Privatbesitz.
Bei der geforderten Strafzumessung blieb die Staatsanwaltschaft bei den meisten Tatvorwürfen nach eigenen Angaben nicht am unteren Rahmen des Möglichen. Balz habe eine gehörige Portion krimineller Energie an den Tag gelegt. Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Dann hat die Verteidigung Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge ausführlich darzulegen.Henrik Sauer