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Mutig auf der Kanzel: Ein Kleriker zeigt Kante

Courage Der Roßwälder Pfarrer Paul Veil hat mit seiner Haltung Mut gegenüber dem NS-Staat bewiesen. Deshalb wurde kürzlich in Roßwälden eine Straße nach ihm benannt.

Ebersbach. Über den Pfarrer, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Repräsentant des kirchlichen Widerstands Mut bewiesen hat, hielt Kirchenhistoriker und Pfarrer Professor Jörg Thierfelder vor Ort

 

Sein Widerstand kann auch heute Mut machen,
sich gegen Rassismus einzusetzen.
Professor Jörg Thierfelder über das vorbildliche Verhalten von Pfarrer Veil
 

einen Vortrag, den er mit „Ein mutiger Christ in der Zeit des Nationalsozialismus“ betitelte. Er habe ihn mit seiner Bio­grafie „unheimlich gepackt“, insbesondere die Worte seiner Predigten, etwa: „Wäre es einem auf Gottes Wort hörenden Menschen möglich, sich so von Haß und Empörung leiten zu lassen, dass er die Gotteshäuser derer, die er für schuldig hält, einfach in Brand steckt?“ Er habe damit den Brand der Göppinger Synagoge gemeint, die Predigthörer seien über die damals gleichgeschaltete Presse informiert gewesen, erklärte Thierfelder.

Zunächst zeigte sich auch Paul Veil aufgeschlossen gegenüber der politischen „Wende“. Die NSDAP erhielt in Roßwälden im Jahr 1932 die absolute Mehrheit mit 57,5 Prozent. Doch bereits in den Jahren 1933/1934 wurde Veil zum vehementen Gegner. Insbesondere nach der intensiven Beschäftigung mit der NS-Ideologie und der antisemitischen Lektüre des Buches von Alfred Rosenberg mit dem Titel „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Er zeigte genügend Mut, um immer wieder gegen die Methoden der NS-Diktatur aufzubegehren.

Veil kritisierte etwa Rosenbergs Schrift öffentlich und zog ihn sogar ins Lächerliche. 1939 erhob die Gestapo Stuttgart wegen „des Vergehens gegen das Heimtückegesetz“ Anklage gegen Paul Veil, der seine Predigtkonzepte aushändigen musste. Die NS-Regierung antwortete: „Wer öffentlich gehässige hetzerische von einer niedrigen Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP (…) macht, wird mit Gefängnis bestraft“, zitierte Thierfelder.

Somit geriet Veil in die Mühlen der NS-Justiz, allerdings wurde das Verfahren eingestellt. Im Jahr 1941 wurde er vom Hochdorfer Ortsgruppenleiter Hummel angezeigt wegen folgender Äußerung im Gottesdienst: „Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, dass bei uns im nationalsozialistischen Staate die Geisteskranken beseitigt werden. Dazu habe ich zu sagen: Niemand hat hierzu das Recht außer Gott, einem Menschen das Leben zu nehmen.“ Veil habe hier offen die NS-Euthanasieaktionen des Dritten Reiches kritisiert.

Der Pfarrer litt allerdings zunehmend an den Angriffen seiner Gegner und sprach von Nervenzermürbung. 1943 musste Veil auf eine Stelle auf der Uracher Alb wechseln, was die Familie zusätzlich in Stress versetzt habe, wie Thierfelder berichtete. 1944 wurde Veil in den Krieg an die Ostfront geschickt, wurde angeschossen und starb offenbar an einer Sepsis.

Thierfelder resümierte: Pfarrer Veils Widerstand könne auch heute „Mut machen, sich einzusetzen gegen Rassismus und Antisemitismus“. 

Sandra P. Thurner