Brandruine
Nürtingen: Ende eines Mahnmals

Mehr als vier Jahre erinnerten die Reste des Hauses in der Schafstraße 2 an den verheerenden Brand, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen waren. Jetzt rückte der Abrissbagger an.

Die Abrissarbeiten des Hauses Nummer 2 in der Schafstraße. Foto: Matthäus Klemke

Wieder ist die Schafstraße in einen dichten Nebel eingehüllt. Doch am Mittwoch steht nicht etwa das nächste Haus in Flammen – es ist eine große Staubwolke, die die Sicht trübt. Nach jahrelangem Rechtsstreit zwischen der Stadt Nürtingen und dem Eigentümer wird die Brandruine abgetragen – auf Kosten des Eigentümers.

Ein Bagger reißt am Vormittag die vordere Hauswand des Gebäudes ein, in dem Ende 2020 bei einem Feuer zwei Menschen ums Leben gekommen waren und zahlreiche obdachlos wurden. Mit einem lauten Knall stürzt die erste Etage in die darunterliegende ehemalige Gaststätte. Die Wohnungen, in denen das Feuer gewütet hat, wurden nie ausgeräumt. Auf einer Matratze erkennt man noch deutlich die Rußflecken. Auch ein Einkaufstrolley, eine volle Flasche Wasser und ein Kühlschrank liegen in den Trümmern.

Ich wurde zum Sündenbock erklärt, nur weil mir das Haus gehört.

Eigentümer des Gebäudes

„Nach dem Brand durfte ja niemand das Gebäude betreten wegen der Statik“, erklärt ein Mann, der den Abriss beobachtet. Es ist der Eigentümer des Hauses Nummer 2. Außerdem gehört ihm das Haus Nummer 4, in dem nur einen Tag später ein Feuer ausgebrochen war. Das dritte Haus, Schafstraße Nummer 6, gehört seiner Tante. Dort hat es zwei Jahre später gebrannt. Auch sie ist gekommen, um sich den Abriss anzuschauen.

Für ihn sei es ein emotionaler Moment, sagt der Immobilienbesitzer, der nicht mit Namen genannt werden möchte. „Ich habe hier meine Kindheit verbracht“, sagt er und zeigt auf das Trümmerfeld. Die Stadt Nürtingen hatte mit einem Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro gedroht, sollte das Haus nicht innerhalb weniger Wochen abgerissen werden. „Ich hätte mir mehr Verständnis von der Stadt gewünscht.“ Immerhin habe er das Gebäude schon vor Jahren abreißen wollen, aber die Versicherung wolle nicht zahlen. „Die Versicherung besteht auf einem weiteren Gutachten.“

Versicherung möchte für Brand nicht aufkommen

Unter anderem wegen der Berichterstattung nach den Bränden weigere sich die Versicherung, für den Schaden aufzukommen. „Sie wollen noch eine Brandsimulation machen“, sagt der Mann. Auch seine Bank stelle sich aufgrund der negativen Presse quer. „Ich wollte 2024 einen Kredit aufnehmen, um das Haus abzureißen und wieder aufzubauen.“ Den habe man ihm verwehrt. Nun muss er die Ruine auf eigene Kosten loswerden. „Der Abriss kostet mich etwas mehr als 50.000 Euro.“

Noch immer steht der Verdacht der Brandstiftung mit Todesfolge im Raum. Nach den Feuern hatten zahlreiche Anwohner und ehemalige Bewohner des Hauses über prekäre Wohnverhältnisse berichtet. In den kleinen Zimmern sollen zu viele Leute gewohnt haben. Wie der Anwalt eines der Angehörigen damals gegenüber unserer Zeitung gesagt hatte, seien in manchen Zimmern Wände hochgezogen worden, um möglichst viele Menschen unterzubringen. In einem solchen improvisierten Zimmer ohne Fenster sei eines der Opfer ums Leben gekommen. Aussagen über die Miethöhe legten den Verdacht von Mietwucher nahe.

Eigentümer: „Ich bin der Sündenbock“

Der Eigentümer weist jegliche Schuld von sich. „Ich wurde zum Sündenbock erklärt, nur weil mir das Haus gehört.“ Er habe das Gebäude damals aber an eine Firma vermietet, die für die Untervermietung der Zimmer zuständig war. „Ich wurde nur angerufen, wenn etwas schieflief.“ Immer wieder habe es Probleme mit Ungeziefer und Müll gegeben. „Ich konnte einmal beobachten, wie ein Bewohner den Müll aus dem Fenster geworfen hat.“ Auf das gleiche Argument beruft sich seine Tante, Eigentümerin von Haus Nummer 6. Auch sie habe die Untervermietung ihrer Wohnungen einer Firma überlassen.

Er selbst habe nicht viel Geld mit den Mieteinnahmen verdient. „Beim Haus Nummer 4 waren es 2390 Euro pro Monat, bei Haus Nummer 2 waren es 2150 Euro.“ Dass zu viele Menschen in den Gebäuden gelebt haben könnten, leugnen die Immobilienbesitzer nicht. „Das ist doch überall so“, sagt die Mutter des Mannes, die das Gebäude 2020 an die Firma ihres Sohnes überschrieben hat. „Da waren plötzlich drei Leute mehr im Zimmer, und wenn man gefragt hat, dann hieß es, die wären nur zu Besuch.“

Im Besitz der Familie sind nicht nur die drei Häuser in der Schafstraße. Unter anderem hatte man auch Wohnungen in einem Haus in der Kirchheimer Innenstadt vermietet – in dem Gebäude war es ebenfalls 2020 zu einem Brand gekommen.

Wie geht es in der Schafstraße weiter?

In der Schafstraße wird nur das Haus Nummer 2 abgerissen. Die unbewohnbaren Häuser Nummer 4 und 6 sind nicht so stark beschädigt, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht. Wie geht es nun weiter in der Schafstraße? „Ich würde das Gebäude gerne wieder aufbauen“, sagt der Besitzer der Schafstraße 2. Er habe schon als Teenager eine Wunschvorstellung gehabt: „Ein Gebäude mit einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss, in das man zum Beispiel ein Studentencafé machen könnte.“ Das Gebäude Nummer 4 möchte er sanieren.

Beim Gebäude Nummer 6 soll es ebenfalls Unstimmigkeiten mit der Versicherung geben, wie die Eigentümerin sagt. Solange diese nicht geklärt sind, werde dort nichts passieren. Bei einem anderen Gebäude in ihrem Besitz, bei dem es um einen Wasserschaden geht, ziehe sich der Streit mit der Versicherung bereits seit 2017.

Hinterhöfe der Häuser sind illegale Mülldeponien

Nach den Bränden verwandelten sich die Hinterhöfe der Häuser in illegale Mülldeponien. Ganze Inneneinrichtungen wurden hier entsorgt, Müllsäcke und Autoreifen stapelten sich. Das Landratsamt schritt irgendwann ein und forderte die Eigentümer auf, den Müll zu entsorgen. „Wir haben schon so viele Wagenladungen Müll weggefahren“, sagt der Bruder des Eigentümers. „Aber die Leute kommen immer wieder und werfen ihren Müll weg.“ Selbst eine Umzäunung des Geländes habe nichts gebracht.