Manchmal dauert es länger. Schon im Jahr 2011 wurde über die Sigmaringer Straße als Fahrradstraße diskutiert – nun wird sie umgesetzt. „Die Zeit war damals noch nicht reif“, sagte Birgit Herz, die als Sachgebietsleiterin der Stadt für die Themen Straßenverkehrsbehörde und städtischer Vollzugsdienst zuständig ist. Gemeinsam mit dem Fahrradbeauftragten Stephan Maul informierte sie auf dem Pausenhof des Max-Planck-Gymnasiums über ein absolutes Novum für Nürtingen. Der Gemeinderat hatte im Herbst 2021 den Weg dafür freigemacht.
Die Neuerung wird für die Verkehrsteilnehmer gut sichtbar mit roten Markierungen vor jeder Einmündung und dem Symbol Fahrradstraße auf dem Asphalt sein. Hinzu kommen Schilder, die auf die geänderte Vorfahrt hinweisen. Das gelte aber nicht für private Zufahrten, wie die Experten hinzufügten. Jeweils am Ende und am Anfang wird ein Transparent stehen, das über die Änderungen informiert. Diese sind ganz konkret: Die Sigmaringer Straße wird zur Vorfahrtsstraße, Fahrräder haben Vorrang und dürfen nebeneinander fahren. Parken ist auf den ausgewiesenen Flächen erlaubt. Die Kosten halten sich für die Stadt in Grenzen. Zwar sind für die Schilder und Markierungen 60 000 Euro nötig. „Aber 65 bis 90 Prozent werden vom Land gefördert“, erklärte Maul.
In Nürtingen geht die Stadt bewusst mit wenigen Einschränkungen an den Start. Es gilt weiterhin Tempo 30, Autos und Motorräder sind frei und nicht nur auf Anlieger beschränkt. Auch von einer Einbahnstraßenregelung hat man vorerst abgesehen. Herz und Maul machten keinen Hehl daraus, dass man jederzeit nachschärfen könne: „Wir haben das großzügig gehandhabt, müssen aber schauen, wie es funktioniert.“ Man werde beobachten, wie sich die Situation entwickelt. „Auch der Vollzugsdienst wird sich das vor Ort anschauen“, erklärte Herz. Andere Kommunen hätten schon ihre Erfahrungen mit Fahrradstraßen gemacht. In Esslingen ist es beispielsweise die Hindenburgstraße. Auch dort musste nachgebessert werden. Auf der Straße wurde eine Diagonalsperre eingebaut, sodass Autos an dieser Stelle nur rechts abbiegen können.
Zu bestimmten Tageszeiten ist schon jetzt viel los auf der Sigmaringer Straße. Jede Menge radelnde Schülerinnen und Schüler sind dort unterwegs. „Die Anzahl der Radler hat stark zugenommen“, erklärte Schulleiterin Petra Notz vom Max-Planck-Gymnasium. Man habe einen Zuwachs von 30 Prozent. Zudem bitte man die Eltern, die Kinder nicht mit dem Auto zur Schule zu bringen und direkt vor dem Eingang zu halten.
Sorgen bereitet ihr aber, dass einige Schüler unaufmerksam oder ohne Helm unterwegs sind. Deshalb soll die Polizei verstärkt Aufklärungsarbeit leisten. Maul und Herz wollen auch den Kontakt zu den Busunternehmen suchen, denn diese sollen die Sigmaringer Straße künftig meiden. Derzeit liefen aber noch die Bauarbeiten in der Mühlstraße. Und eben diese haben den Planern auch einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn die Fahrradstraße soll eigentlich noch weitergehen – und zwar bis zum Sportgelände Neckarau. Doch die Baustelle wird noch bis Jahresende dauern. „Dann ist es für Markierungsarbeiten zu kalt“, erklärte Maul. Man nehme daher das Frühjahr ins Visier. Auch am anderen Ende der Sigmaringer Straße soll es noch eine Verlängerung geben.
Die beiden Stadtmitarbeiter nahmen vom Termin auch einige neue Erkenntnisse mit. So monierten gleich zwei Bürgerinnen, dass auf dem Weg zur Kita an der Mühlstraße der Gehweg fehle. Dass mancher Busfahrer auch gern das Trottoir mitnutzt, wurde auch mehrfach gerügt. „Wir melden das den Busunternehmen“, munterte Herz dazu auf, mit der Verwaltung häufiger in Kontakt zu treten.