Nürtingen. Als Erklärung für sein Ansinnen, die Verabschiedung zu vertagen, verwies Heirich zu Beginn der Sitzung allgemein auf vorhergehende Gespräche mit dem Regierungspräsidium. Das wollten Vertreter einiger Fraktionen dann doch deutlicher in den Raum gestellt wissen. Dieter Braunmüller (Nürtinger Liste/Grüne) betonte: „Wir müssen doch offen sagen, dass wir den Haushalt nicht genehmigt bekommen und in den nächsten Jahren zig Millionen aus dem Investitionsprogramm streichen müssen, weshalb alles auf den Prüfstand muss.“
Heirich wollte den Zusammenhang so nicht sehen: „Es geht nicht um den Haushalt an sich, sondern um das Investitionsprogramm.“ Das wiederum wollte Thaddäus Kunzmann (CDU) so nicht stehen lassen: „Ich habe das so verstanden, dass auch der aktuelle Haushaltsplan zur Disposition steht, weil der Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht stimmt.“
Tatsächlich wurde die Verwaltung vonseiten des Regierungspräsidiums per E-Mail in dieser Woche darüber informiert, dass eine Verschuldung auf rund 80 Millionen Euro bis zum Ende der Finanzplanung 2019 nicht genehmigt werden könne. Die Aufsichtsbehörde stellt diese enorme Neuverschuldung in Zusammenhang mit der Ertragsschwäche des Haushalts. Allein der Ergebnishaushalt, in dem zum Beispiel Personalkosten und Dienstleistungen als Ausgaben und Gewerbe- und Grundsteuereinnahmen ebenso wie Gebühren und auch Zuweisungen von Bund und Land als Einnahmen zu Buche schlagen, weist ein Minus von rund fünf Millionen Euro auf. Durch die Neuverschuldung für Investitionen im Finanzhaushalt würden Zinszahlungen erheblich steigen, das Minus würde sich jährlich summieren.
Deshalb, so die Mitteilung des Regierungspräsidiums, müsse das „exorbitante Ansteigen der Verschuldung“ mindestens auf 40 Millionen Euro halbiert werden. Außerdem müsse die Ertragskraft des Ergebnishaushaltes verbessert werden. Die rund zwei Millionen Euro, die der Gemeinderat bei seiner Sitzung vergangene Woche bei Investitionen für den Haushalt dieses Jahres eingespart hat, reichen der Aufsichtsbehörde offensichtlich nicht als sichtbares Zeichen, den Haushalt nachhaltig zu konsolidieren. „Es kommt schon mal vor, dass eine Kommune wegen besonderer Ereignisse beim Haushaltsausgleich in die roten Zahlen rutscht, doch das kann nicht dauerhaft der Fall sein“, bestätigte Rainer Heckhausen, der zuständige Referatsleiter beim Regierungspräsidium, auf Nachfrage. Der Haushalt müsse langfristig auf tragfähige Beine gestellt werden und das sehe man im Moment für Nürtingen nicht.
Raimund Braun (NT 14) wiederholte in der Gemeinderatssitzung seine Forderung aus vergangenen Debatten: Weniger Projekte und mehr Klarheit über die zu erwartenden Kosten lautet seine Devise. „Der Investitionsplan muss erheblich gekürzt werden und auch der Ergebnishaushalt und vor allem die Ausgabenseite müssen auf den Prüfstand“, so Braun. Dem pflichtete Bärbel Kehl-Maurer (SPD) bei: „Alle kostenträchtigen Projekte müssen jetzt zunächst aus der Planung genommen werden.“ Jürgen Geißler (Liberale-Aktive Bürger-FWV) bekannte: „Die E-Mail hat mich umgehauen.“ Um sichtlich erzürnt fortzufahren: „Es stellt sich schon die Frage nach der Aufgabenerfüllung der Verwaltung.“ Die Debatten der vergangenen drei Monate zu verschiedenen Projekten könne man jedenfalls zu den Akten legen.
Innerhalb der nächsten zwei Wochen soll nun eine – vermutlich nicht öffentliche – Sondersitzung einberufen werden. Schon am Dienstag wurden weitere Tagesordnungspunkte abgesetzt, die kostenträchtig sind, außer Vorhaben zur Anschlussunterbringung, die Nürtingen pflichtgemäß erfüllen muss. Vertagt wurde das Projekt Bildungszentrum Schlossberg, zu dem auch die Sanierung des Hölderlinhauses gehört. Auch der zweite Bauabschnitt für die Neugestaltung der Innenstadt, der den Schillerplatz betrifft, liegt jetzt auf Eis.