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Nabu stellt Strafanzeige gegen Bürgermeister

Artenschutz Naturschützer wollen Vorgehen der Stadt Kirchheim überprüfen lassen.

Kirchheim. Fledermaus, Waldkauz, Waldohreule - dazu kommen noch die bekannte Zauneidechse, aber auch holzbewohnende Käfer. Mit diesen Tieren muss sich jetzt die Staatsanwaltschaft befassen: Der Nabu-Kreisverband Esslingen hat fünf Strafanzeigen gegen Mitarbeiter der Stadt Kirchheim, aber auch gegen „ausführende Firmen“ gestellt. In einer Pressemitteilung des Nabu werden zwei Positionen bei der Stadtverwaltung herausgehoben, gegen die sich die Strafanzeigen richten: der Erste Bürgermeister sowie der Umwelt- und Naturschutzbeauftragte, also Günter Riemer und Wolf Rühle.

Fünf Fälle hat der Nabu akribisch dokumentiert. Nach Ansicht der ehrenamtlichen Naturschützer ist die Stadt in allen diesen Fällen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Prüfung des Artenschutzes nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. Bei fast allen Strafanzeigen geht es um das Fällen von Bäumen, was Auswirkungen auf die Lebensräume der eingangs genannten Tierarten gehabt haben soll. Drei Fälle beziehen sich auf Flächen, auf denen die Stadt Unterkünfte für Obdachlose und Flüchtlinge erstellen ließ oder lässt: in Lindorf, in der Ötlinger Halde sowie in der Kitteneshalde.

Die beiden anderen Fälle betreffen das ehemalige Hallenbadgelände, wo ebenfalls Bäume der Bebauung weichen mussten, sowie auf einen Teil der Gießnau in der Kirchheimer Bohnau. Dort waren Bäume wegen der Verkehrssicherungspflicht entfernt worden.

Dem Nabu geht es jetzt nicht so sehr um die Bäume selbst, sondern um die Bäume als Lebensraum für Tiere. „Die Bäume sind der Auslöser, aber dadurch werden Brut- und Niststätten zerstört“, sagte Jenny Helber, die Geschäftsführerin des Nabu-Kreisverbands Esslingen, gestern auf Nachfrage des Teckboten. In allen genannten Fällen wirft der Nabu der Stadtverwaltung vor, nicht die erforderlichen Gutachten bei der Unteren Naturschutzbehörde vorgelegt zu haben oder die Ausgleichsmaßnahmen nicht rechtzeitig eingeleitet zu haben. Beispiel Hallenbadgelände: Dort waren Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Der Waldkauz hätte Nistkästen erhalten sollen. Hat er aber nicht. Die Stadt habe das damit begründet, dass die Nistkästen nicht lieferbar gewesen seien. Jenny Helber will das aber nicht gelten lassen: „Die lassen sich auch ganz einfach selber bauen.“

Die Waldohreule wiederum sei in der Ötlinger Halde bedroht - und sie sei ganzjährig geschützt. Schon einzelne Äste zu entfernen, könne ihren Lebensraum bedrohen. Trotzdem habe die Stadt Kirchheim die Birken am Gins­terweg entfernen lassen, ohne die „Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung“ (SaP) vorliegen zu haben, die dazu unbedingt erforderlich sei: „Die Stadt hat nur eine Relevanzprüfung erstellen lassen, und die war auch noch fehlerhaft.“

Blühfläche half Eidechsen nicht

In der Kitteneshalde war die Zauneidechse betroffen. Ein weiteres Mal habe die Stadt ihr Gebäude erstellt, obwohl aus Sicht des Nabu auch hier statt einer SaP nur eine Relevanzprüfung vorlag. Der Hauptvorwurf ist aber ein anderer: „Die Stadt hat den Bauzaun, der die Zauneidechse hätte schützen sollen, nicht rechtzeitig gestellt.“ Später sei zwar am südlichen Rand des Baugeländes eine Blühfläche für Insekten angelegt worden, was der Nabu grundsätzlich begrüßt. Aber auch hier sei etwas grundlegend schief gelaufen: „Die Fläche liegt genau an der Fortpflanzungsstätte der Zauneidechse, und angelegt wurde sie in der Eiablagezeit.“

An der Gießnau hatten schon die Baumfällarbeiten als solche für einen großen öffentlichen Aufschrei gesorgt. Jenny Helber bemängelt auch hier die fehlende artenschutzrechtliche Prüfung. Betroffen wären an dieser Stelle vor allem Fledermäuse und holzbewohnende Käfer. Dafür, dass alte Bäume gefällt werden müssen, wenn sie nicht mehr standsicher sind, hat Jenny Helber durchaus Verständnis. Die Stadt müsse sich dann aber um die entsprechende Ausnahmegenehmigung bemühen, die nach Vorlage vollständiger und korrekter Unterlagen auch zu erhalten sei: „Dann gibt es immer noch Möglichkeiten, für einen passenden Ausgleich zu sorgen.“

Der Nabu will die Vorwürfe nun rechtlich prüfen lassen und sieht in den Strafanzeigen die einzige Möglichkeit, um die Sache klären lassen zu können. Günter Riemer als einer der direkt genannten Verantwortlichen der Stadt wollte gestern noch keine Stellungnahme abgeben: „Inhaltlich kann ich erst dann etwas dazu sagen, wenn die Staatsanwaltschaft auf mich zugekommen ist.“ Andreas Volz