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Nach der Flucht: Ibrahim Jammeh hat es geschafft

Integration Ibrahim Jammeh ist als Flüchtling nach Köngen gekommen. Jetzt hat er alles, was er sich erträumt hat. Doch für immer bleiben will er nicht. Von Kerstin Dannath

Ibrahim Jammeh hat seinen Gesellenbrief als Zimmermann in der Tasche. Doch ohne Hilfe hätte er es wohl nicht geschafft. Foto: Kerstin Dannath

„In Afrika gibt es das Sprichwort: ‚Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf’. So ist es auch bei den Geflüchteten, wenn sie weiterkommen wollen“, sagt Gabriele Roth vom Köngener Arbeitskreis (AK) Asyl. Über Italien und Bayern kam der heute 32-jährige Ibrahim Jammeh mit der großen Flüchtlingswelle 2015 im Alter von 23 Jahren nach Baden-Württemberg. „Ich wollte lernen und arbeiten“, sagt Jammeh, der sich über Details seiner Flucht aus seinem westafrikanischen Heimatland durch den halben afrikanischen Kontinent übers Mittelmeer bis nach Europa nicht weiter auslassen will.

 

Ich wollte lernen und arbeiten.
Ibrahim Jammeh über seine Fluchtgründe.

 

Über eine Zwischenstation in Nürtingen landete Jammeh schließlich in einer vom Landkreis angemieteten vorläufigen Unterkunft in Köngen. Der Vermieter: Helmut Berg. Der Köngener bemerkte schnell, dass Jammeh und ein weiterer Geflüchteter, ebenfalls aus Gambia stammend, nicht „nur rumhängen“ wollten. „Die zwei wollten arbeiten und sind etwa gleich gekommen, um mir bei Gartenarbeiten zu helfen“, erinnert sich Berg. Er nahm die beiden unter seine Fittiche und wurde zum Unterstützer, etwa bei Behördengängen, bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. Einfach war das nicht: Mehrere dicke Aktenordner hat Berg mittlerweile mit Flüchtlingsangelegenheiten im Regal stehen. Besonders der Asylantrag als auch die folgende Duldung waren mit viel Bürokratie verbunden. Wäre Berg nicht so hartnäckig gewesen, hätte das alles wohl nicht geklappt. Bis heute hat der Köngener unzählige Stunden in die Thematik gesteckt – es ist ihm wichtig, den Geflüchteten eine Perspektive zu geben. Er sagt aber auch: „Wenn die Behörden etwas beweglicher wären, würde es sicherlich mehr Unterstützer geben.“

Jammeh wollte Zimmermann werden. „Mein mittlerweile verstorbener Vater war ebenfalls Zimmermann in Gambia“, erklärt der 32-Jährige auf Deutsch. Eine Lehrstelle bei der Firma Layh in Oberboihingen hatte Berg über sein persönliches Netzwerk gefunden. Um die Ausbildungsstelle anzutreten, musste Jammeh aber Deutschkenntnisse mit B 1-Niveau vorweisen. „Dabei kam ich ins Spiel“, sagt Gabriele Roth. Die ehemalige Lehrerin ist seit ihrer Pensionierung 2019 beim AK Asyl aktiv. Unzählige Stunden hat Roth mit dem Gambier im Haus Anna in der Ortsmitte, das vom AK Asyl genutzt wird, Deutsch gepaukt. „Ibrahim hat sich anfangs in der Ausbildung wegen der Sprache schon schwer getan“, sagt sie. Bald holte sie Achim Pasold, einen ehemaligen Berufsschullehrer aus Köngen, ins Boot. Er wiederum stellte den Kontakt zu dem Zimmerermeister Reinhard Lamparter und zu dem Gemeinderat Karl-Heinz Eisele, der ebenfalls pensionierter Berufsschullehrer ist, her. Auch die beiden lernten mit Jammeh.

Wohnung nur mit Bürgschaft

Was ebenfalls Sorgen bereitete, war die Wohnsituation des Gambiers: Er lebte immer noch in der Flüchtlingsunterkunft, fand dort nach einem anstrengenden Arbeits- oder Schultag aber weder Ruhe zum Lernen noch zum Ausruhen. „Das war eine sehr schwere Zeit“, sagt der Gambier heute rückblickend. Wieder war es Helmut Berg, der half. Allerdings gestaltete sich die Wohnungssuche alles andere als einfach. „Wir haben unheimlich viele Wohnungen angeschaut, aber viele Vermieter hatten Bedenken, eine Wohnung an einen Afrikaner zu vermieten“, sagt Berg. Letztlich klappte es doch, allerdings nur mit einer Bürgschaft, die die Miete garantierte. „Das war ein großer Schritt. Endlich konnte ich in Ruhe lernen und schlafen“, sagt Jammeh. Seit 2023 hat er nun seinen Gesellenbrief in der Tasche und nebenbei auch noch den Autoführerschein gemacht. Die Firma Layh hat den Gambier übernommen.

Irgendwann will Jammeh wieder in sein Heimatland zurück: „Aber erst will ich hier in Deutschland arbeiten und Geld ansparen. In Gambia will ich mein eigenes Geschäft eröffnen können.“ In Deutschland darf er aufgrund der Ausbildung und des Nachweises einer festen Arbeitsstelle für die nächsten drei Jahre bleiben.