Die sind noch fest“, sagt Paul Clauss beim Griff an die grünen, prallen Trauben. Wachsamen Auges geht er durch seinen Weinberg. Hier und da haben ein paar Trauben Hagelschäden davongetragen, insgesamt hält sich das aber deutlich in Grenzen. In Summe ist der 23-Jährige mit seinen Rieslingreben zufrieden. Sowohl das jüngste Unwetter als auch die anhaltend heißen Tage haben dem Wein wenig anhaben können. Er kann in Ruhe weiter reifen. „Das kommt noch“, sagt er.
Auf acht Hektar produziert Paul Clauss auf dem Gelände der Domäne Weil Wein, neben dem Riesling auch Spätburgunder und Muskattrollinger, allesamt Biolandprodukte. Das Besondere: Es ist der einzige Wein, der auf Ostfilderner Gemarkung im großen, professionellen Stil angebaut wird. Das sagt zumindest der Landwirt Christof Clauss, Paul Clauss’ Vater. Früher habe es Wein am Weiler Berg in der Nähe des Krankenhauses in Ruit gegeben. „Dort wurde der letzte Wein 1927 geerntet“, erklärt er. Ehemals habe es in Ruit daher auch eine Kelter gegeben. „Die alten Ruiter sagen immer noch: Ich geh’ in meinen Wengert.“
Im Januar 2017 haben Vater und Sohn die Domäne Weil übernommen und mit der Renovierung begonnen. Seither hat sich auf dem traditionsreichen Gelände viel getan. Seit 2019 gibt es den Besen mit Weinstube und Hofcafé. Seit Kurzem ist wieder geöffnet. Jetzt, im heißen Sommer, wird freitags und samstags von 16 bis 21 Uhr und sonntags von 12 bis 20 Uhr bewirtet, ansonsten freitags bis sonntags von 12 bis 20 Uhr. Außerdem werden die landwirtschaftlichen Flächen, die den Hauptteil des mehr als 50 Hektar großen Areals ausmachen, bewirtschaftet. Es gibt Streuobstwiesen, Gemüse- und Kräuteranbau, die Grünflächen mäht ein Bauer. Seit diesem Jahr hat der Betrieb auf der Domäne die Biolandzertifizierung. Paul Clauss ist der Betreiber, während sein Vater Christof (58) den konventionellen Betrieb in Esslingen sowie die beiden Hofläden in Ruit und Esslingen weiterführt. 2019 hat Paul Clauss den Hang unterhalb der Ostfilderner Parksiedlung mit Rebstöcken bepflanzt. „Wir haben zwei Jahre überlegt, was wir damit machen“, erklärt sein Vater. Für den Weinbau habe man sich aus mehreren Gründen entschieden. Zum einen ist Paul Clauss vom Fach. Er hat im vergangenen Jahr sein Weinbau- und Oenologie-Bachelorstudium abgeschlossen.
Außerdem hat der Klimawandel in den Überlegungen eine entscheidende Rolle gespielt. So eigne sich das Gelände wegen der Erosionsgefahr nicht zum Anlegen eines klassischen Ackers. Im Fall eines Starkregens würde es die Erde ins Tal schwemmen, und im Zuge des Klimawandels nehmen solche Wetterphänomene bekanntlich zu. Der Weinberg wurde daher begrünt. Zwischen den Reben wachsen unter anderem Gras und Klee. Das festigt den Untergrund.
Die Familie Clauss betreibt in der 14. Generation Landwirtschaft. An den Ostfilderner Weinberg hätten Außenstehende zunächst dennoch nicht geglaubt. „Die Ersten haben uns für verrückt erklärt“, sagt Christof Clauss. Grund: die Lage. Der Hang ist nach Nordosten ausgerichtet – nicht ideal, hätte man früher gesagt. In Zeiten von großer Hitze erweist sich die Lage laut Christof Clauss aber als ideal. Die Böden seien wasserreicher, die Pflanzen hätten weniger Hitzestress durch einen weniger extremen Einstrahlungswinkel der Sonne. Dem Riesling etwa sei das zuträglich. „Wir können die Trauben länger hängen lassen. Durch die kühleren Nächte im Herbst werden die Aromen ausgeprägter“, erklärt Paul Clauss. „Wir haben die Toplage von morgen“, sagt der Senior.
Der Wein bekommt ein spezielles Etikett
Entgegen aller Unkenrufe gedeiht der Ostfilderner Wein prächtig. Der Ertrag der noch jungen Pflanzen entwickelt sich, wie die beiden Landwirte sagen. Im Pflanzjahr 2019 habe man noch keine Trauben ernten können, 2020 habe man 500 bis 700 Liter Wein herausbekommen, „dieses Jahr haben wir zum ersten Mal den halben Ertrag“, sagt Christof Clauss. Der 2021er Jahrgang soll in den kommenden Wochen abgefüllt werden, ein spezielles Domäne-Weil-Design für die Etiketten wurde auch schon entworfen. Erhältlich sein soll der Wein von September an in den Clauss-Hofläden, außerdem soll er im Besen ausgeschenkt werden.
Die Domäne Weil im Wandel der Zeit
Historie Die Domäne Weil, die über den Ostfilderner Stadtteil Parksiedlung zuerreichen ist, gehört dem Haus Württemberg. Sie geht auf die Zeit der Gestütsgründung durch Württembergs König Wilhelm zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück und zählte zu dessen Sommerstallungen. Das prägnanteste Gebäude ist das 1830 erbaute Schweizerhaus, ehemals ein Kuhstall. Die Domäne war lange einer der größten Milchbetriebe Württembergs.
Nutzung Zehn Jahre lang hat Arbeg, eine gemeinnützige Einrichtung mit Sitzin Wernau, das Gelände bewirtschaftet. Bis 2016 gab es dort ein Integrationsprojekt für Menschen mit körperlichem oder psychischem Handicap sowie für Langzeitarbeitslose in Form eines Ziegenhofs. Es scheiterte aus wirtschaftlichen Gründen. Kurz nach dem Aus pachteten Christof und Paul Clauss das Gelände. car