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Nach Nazi-Parole bei Feuerwehr Aichtal: Beschuldigter wieder im Dienst

Ermittlung Weil ein Feuerwehrmann in Aich den Hitlergruß skandiert haben soll, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Dennoch wurde der Betroffene zurück in den Dienst berufen. Bürgermeister Sebastian Kurz kritisiert die Rettungskräfte scharf. Von Matthäus Klemke

Im Juli sorgte ein Zwischenfall bei der Aichtaler Feuerwehr für einiges Aufsehen (wir berichteten): Bereits im Mai sollen mehrere Mitglieder der Abteilung Aich in der Waldenbucher Straße unterwegs gewesen sein und dabei Anwohner beleidigt haben. Einer von ihnen soll eine Gruppe Deutscher mit Migrationshintergrund mit rechtsextremen Parolen angegangen haben. Unter anderem soll der Hitlergruß „Sieg Heil“ gefallen sein. Gleich am nächsten Tag haben die Geschädigten selbst den Vorfall im Aichtaler Rathaus gemeldet. Auch Feuerwehrkommandant Peter Flamm hat Bürgermeister Sebastian Kurz am darauffolgenden Tag informiert. Laut Kurz habe man sofort Strafanzeige gestellt. Der beschuldigte Feuerwehrmann soll noch am Abend des Vorfalls suspendiert worden sein.

Wie das Polizeipräsidium Reutlingen auf Anfrage mitteilt, hat sich mittlerweile die Staatsanwaltschaft Stuttgart der Sache angenommen. „Für solch ein Verhalten gibt es Null Toleranz“, kommentierte Kurz das Verhalten des suspendierten Feuerwehrmannes im Juli.

„Keine rechte Gesinnung“ beim Beschuldigten

Doch trotz laufender Ermittlungen wurde der Beschuldigte bereits wieder in den Dienst aufgenommen. Das bestätigt Feuerwehrkommandant Flamm. Dessen Stellvertreter Christian Wahl, Abteilungskommandant in Grötzingen, hat die Suspendierung aufgehoben. „Die Feuerwehr distanziert sich von dem Verhalten des Beschuldigten, das war eine Grenzüberschreitung. Aber irgendwann muss auch so etwas abgearbeitet sein“, so Flamm. Sowohl der Angeschuldigte als auch der Geschädigte seien von einem Feuerwehrausschuss angehört worden. Das Ergebnis: „Der Beschuldigte hat keine rechte Gesinnung.“ Auch auf eine Geldstrafe, die die Feuerwehr verhängen darf, möchte man verzichten. Stattdessen habe es einen Vermerk in der Personalakte gegeben.

Die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wolle man verfolgen. „Aber der Ausgang geht uns nichts an“, so Flamm: „Das strafrechtliche Problem ist ein privates Problem.“ Feuerwehrdienst und Privatleben seien „zwei Paar Schuhe“. Um ein Mitglied der Feuerwehr aus dem Dienst zu entlassen, braucht es einen triftigen Grund. Dazu gehört laut Feuerwehrgesetz unter anderem eine „erhebliche schuldhafte Schädigung des Ansehens der Feuerwehr“. Dies sei in Aichtal nicht passiert, da der Betroffene bei seinem Fehltritt keine Feuerwehrkleidung angehabt habe, sagt Christian Wahl.

Feuerwehrkommandant war bei dem Vorfall selbst anwesend

Doch wieso hat Christian Wahl und nicht der Feuerwehrkommandant selbst die Wiedereinsetzung vorgenommen? Er sei befangen, sagt Flamm. Denn er selbst war bei dem Vorfall anwesend. Der Fehltritt an für sich sei „nicht so dramatisch“ gewesen, wie er in den Medien dargestellt wurde. „Es ist nur ein Spruch gefallen“, so Flamm. Es sei eine „Dummheit“ gewesen. Doch scheinbar schlimm genug, um den Übeltäter noch am selben Abend aus der Feuerwehr zu werfen und am nächsten Tag den Bürgermeister zu unterrichten.

Der bezeichnet das Verhalten der Feuerwehr als „erschreckend“. Die Nachricht darüber, dass der Feuerwehrmann wieder in den Dienst genommen wurde, habe Kurz im Urlaub erreicht. „Es ist vollkommen unverständlich, dass man die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht abgewartet hat. Ich möchte mich deutlich von dem Verhalten der Feuerwehrleute distanzieren“, so Kurz: „Die Stadtverwaltung hätte der Feuerwehr jegliche Unterstützung zukommen lassen, um die Dienstenthebung aufrechtzuerhalten.“ Ihm selbst seien als Bürgermeister die Hände gebunden. „Die Verantwortung bezüglich des Verbleibens des Beschuldigten liegt nach dem Feuerwehrgesetz von Baden-Württemberg alleine in der Verantwortung des Kommandanten.“

Entlassung benötigt Gemeinderatsbeschluss

Die Feuerwehrspitze wiederum schiebt dem Bürgermeister eine Teilschuld zu. Man habe gar keine andere Wahl gehabt, als den Feuerwehrmann wieder in den Dienst zu nehmen, sagt der stellvertretende Kommandant Wahl. „Um einen Angehörigen aus dem Dienst der Feuerwehr zu entlassen, braucht es einen Beschluss des Gemeinderates. Dieser Beschluss wurde von Bürgermeister Kurz nicht angestrebt. Das bedingt, dass der vorläufige Dienstauschluss endet.“ Feuerwehrkommandant Flamm wirft Kurz vor, für Gespräche nicht offen gewesen zu sein. „Wir sind mit mehreren Gesprächswünschen auf ihn zugegangen. Die wurden alle abgelehnt.“

Laut Bürgermeister Kurz reiche der Ausruf „Sieg Heil“ nicht aus, um einen Feuerwehrangehörigen, der sich bisher nichts hat zu Schulden kommen lassen, endgültig aus der Feuerwehr zu entlassen. Das habe eine juristische Einschätzung ergeben. Dennoch hätte der Feuerwehrkommandant die Möglichkeit gehabt, die Diensterhebung bis zum Ende des Verfahrens aufrechtzuerhalten oder eine Geldbuße zu verhängen, wirft Kurz der Feuerwehrspitze vor.​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​