Esslingen. Der Traum von einer Rückkehr an den Bodensee ist für Yalcin Bayraktar geplatzt. Knapp dreieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt hatte sich der Esslinger Dezernent für Ordnungswesen, Soziales, Bildung, Kultur und Sport als Beigeordneter in Friedrichshafen beworben. „Auch wenn es mir bei erfolgreicher Wahl schwerfallen wird, mein jetziges Amt in Esslingen zu verlassen, hat für mich die Sehnsucht nach meiner Heimatregion die ausschlaggebende Rolle für meine Kandidatur gespielt“, hatte der 44-Jährige stets betont. „Ich möchte das Amt, das ich derzeit innehabe, in Zukunft gerne in Friedrichshafen ausüben.“ Doch daraus wird nichts: Obwohl die Zeichen lange Zeit günstig standen, kassierte Bayraktar (Grüne) nun im Friedrichshafener Gemeinderat eine herbe Niederlage: Nur neun von 40 Stimmen erhielt der Bewerber aus Esslingen. Kenner der Friedrichshafener Kommunalpolitik vermuten, dass er die Zeche für interne Ränke und Zänke unter den Ratsfraktionen bezahlen musste. Bayraktar möchte die herbe Enttäuschung rasch hinter sich lassen und „mit ganzer Kraft in Esslingen weiterarbeiten“. An Aufgaben fehlt es ihm nicht.
17 Bewerberinnen und Bewerber hatten sich für die Stelle des Dezernenten für Sport, Kultur, Bildung, Betreuung, Soziales, Freizeit und Tourismus im Friedrichshafener Rathaus beworben. Bayraktar hatte frühzeitig seinen Hut in den Ring geworfen, nachdem ihn die dortigen Grünen, die als zweitstärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für diese Position haben, nominiert hatten. Bis zuletzt war spekuliert worden, wer außer ihm im Rennen war. Schließlich hatte man sich nach einem langwierigen nicht öffentlichen Verfahren und vielen internen Beratungen der Fraktionen auf zwei Kandidaten verständigt, die sich nun im Gemeinderat öffentlich vorstellen durften: Yalcin Bayraktar und den 37-jährigen Andreas Hein, der aktuell Leiter des Schulverwaltungsamts in Stuttgart ist, ein CDU-Parteibuch besitzt und am Ende 31 der 40 Stimmen erhielt.
Dass beide Bewerber in der entscheidenden Ratssitzung gar nicht mehr befragt wurden, lässt ahnen, dass die Würfel schon vorher gefallen waren – und dass eher interne Querelen im Friedrichshafener Rat die entscheidende Rolle gespielt hatten. Nun wird am Bodensee munter über die Hintergründe spekuliert. Während manche vermuten, den anderen Ratsfraktionen sei es vor allem darum gegangen, einen Grünen in der Rathausspitze zu verhindern, wollen andere wissen, dass die Grünen bei früheren Dezernentenwahlen auch nicht dem Vorschlagsrecht anderer Fraktionen gefolgt seien. Was auch immer die wirkliche Motivation war – die Zeche zahlte Bayraktar, der als früherer Amtsleiter im Landratsamt des Bodenseekreises in Friedrichshafen kein Unbekannter ist und dem bescheinigt wird, er habe in seiner Vorstellung einen guten Eindruck hinterlassen.
„Ich bin menschlich sehr enttäuscht“, kommentiert Yalcin Bayraktar seine für viele überraschende Wahlniederlage. Er habe sich die Entscheidung, in Friedrichshafen zu kandidieren, nicht leicht gemacht. Private Gründe hätten am Ende die entscheidende Rolle gespielt, sich für ein Amt zu bewerben, das sich vom Zuschnitt und von der Größe der Stadt her nicht wesentlich von seinem bisherigen unterscheidet. Vor allem die größere Nähe zu seinen Kindern, die in der Bodenseeregion leben, habe ihn gereizt: „Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn ich es nicht versucht hätte.“ Bei seiner Kandidatur war sich Bayraktar wohl bewusst, dass Kenner der Friedrichshafener Kommunalpolitik von schwierigen Konstellationen sprechen. Was ihn besonders wurmt: „Ich hatte im Vorfeld keinerlei Signale aus den Fraktionen, dass es für meine Kandidatur schwierig werden könnte. Und das, obwohl ich viele nicht erst seit gestern kenne.“ So blieb ihm ein geordneter Rückzug versagt. Als er sich zur Kandidatur entschlossen hatte, hätten ihm auch andere Fraktionen signalisiert, „dass sie sich einen grünen Bürgermeister Bayraktar gut vorstellen könnten“. Über die Gründe für den vermuteten Sinneswandel mag Bayraktar nicht mehr spekulieren – auch nicht darüber, ob taktische Erwägungen im Vorfeld der Kommunalwahl 2024 eine Rolle gespielt hatten. Nur so viel: „Ich finde nicht, dass das Stimmverhalten meiner Qualifikation und meinen Leistungen gerecht wird.“
Was er in Friedrichshafen erlebt hat, empfindet Yalcin Bayraktar als „politisch krass“. Doch davon will er sich nicht unterkriegen lassen: „Ich habe mich immer bemüht, das Verbindende in der Kommunalpolitik zu betonen. Davon lasse ich mich nicht abbringen.“ Der Zuspruch, den er nach seiner Wahlniederlage aus Friedrichshafen und aus Esslingen erhalten habe, bestärkt ihn darin: „Ich freue mich auf meine weitere Arbeit in Esslingen und darauf, die Aufgaben, die vor meinem Dezernat liegen, anzupacken. Darauf werde ich mich voll konzentrieren.“ Alexander Maier