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Narren haben nichts zu lachen

Fasnet Die fünfte Jahreszeit fällt wieder aus. Die fröhliche Zunft verzweifelt zwischen Planen und Absagen. Was bleibt, sind Tränen und private Treffen. Von Katharina Daiss

Genau wie das vergangene Jahr ist 2022 sehr traurig für uns“, sagt Holger Böhm. Der Zunftmeister der Kloster-Deifel berichtet, dass ihr Fasnetsumzug bereits geplant war. Doch schon im November haben sich die Kirchheimer Narren entschlossen, dass es auch in diesem Jahr keinen Umzug geben soll.

Die Absage des wilden Treibens in der Menschenmenge hat zwei Gründe: Einerseits war die organisatorische Herkulesaufgabe aussichtslos, allein die Auflagen waren unmöglich einzuhalten.
 

Zu einem Super-Spreader-Event zu werden
ist das letzte, was wir wollen.

Holger Böhm
Zunftmeister der Kloster-Deifel

 

Neben den nüchternen organisatorischen Unwägbarkeiten ist den Narren jedoch auch aus Angst vor dem Virus der Spaß gehörig vergangen: „Uns ist in dieser Situation nicht nach fröhlichem Feiern zumute“, sagt der Zunftmeister. „Zu einem Super-Spreader-Event zu werden ist das letzte, was wir wollen“.

Seit dem ersten Lockdown im März 2020 halten die Narren nun schon die Füße still. „Eine Woche nach unserem Umzug war alles dicht“, erinnert sich Holger Böhm. Was dem ersten Zunftmeister seitdem zu tun bleibt, sind die klassischen Aufgaben eines Vereinsvorsitzenden: „Wir versuchen, alles am Laufen zu halten“, beschreibt er die Situation. Der Zunftmeister der Kirchheimer Kloster-Deifel wünscht sich für die Zukunft, dass Corona ausreichend eingedämmt werden kann und dass sich die Impfungen durchsetzen, damit solche kulturellen Großveranstaltungen wieder möglich sind.

Auch die Köhler und Franzosenstecherinnen des Gesindes Schleichingen sind frustriert. Die Notzinger haben die letzten Monate ähnlich wie die Kloster-Deifel erlebt: Auf die Umzugsplanung und Einladungen folgten Absagen. „Wir haben sogar im Ort Werbung gemacht“, berichtet Zunftmeisterin Stephanie Hailas enttäuscht. Eine Heil-Fasnacht war geplant, um einen Kinderfasching bemühten sich die Notzinger Narren mit viel Liebe und Freude, doch alles war umsonst.

Besonders bitter: „Im Januar hätten wir die größte Narrentaufe gehabt“. Neun Täuflinge hätten an diesem Tag ihre Prüfung bestehen sollen. „Weil es so viele sind, hatten wir eine Gemeinschaftsaufgabe geplant“, erklärt die Zunftmeisterin. Die Köhler hätten Kohle selbst herstellen müssen, die Franzosenstecherinnen hätten einen Heusack mit einer Heugabel zerstechen müssen. Doch nun müssen sich die Anwärter noch ein weiteres Jahr gedulden.

Hexen weinen bittere Tränen

Den Umzug zum „Schmotziga Doschtig“ hatten die Lenninger Hexa gar nicht erst geplant. „Wie hätten wir 2G kontrollieren sollen? Wie hätten die Leute den Abstand einhalten können?“, fragt Martina Votek.

Die Zunftmeisterin erzählt, dass die Lenninger Hexa darauf gesetzt hatten, dass die „großen Vereine“ eine Möglichkeit finden, die aufwendigen Auflagen einzuhalten. Doch die eintrudelnden Absagen zerschmetterten diese Hoffnung. „Am 6. Januar haben wir alle geheult“, erinnert sich Martina Votek.

Den letzten richtigen Umzug hatten die Lenninger Hexa 2020. Direkt im Anschluss schloss sich eine junge Mutter der Zunft an. „Seit zwei Jahren ist sie schon Mitglied – und hat noch nicht einen Umzug miterlebt“, empört sich Martina Votek.

Die Lenninger Hexa versuchen nun wenigstens, den Kontakt unter sich zu halten. „Jeden Samstag treffen wir uns nun, soweit es die Regeln zulassen“, erzählt die Zunftmeisterin. Einmal waren sie schon auf der Teck grillen, ein anderes Mal ging es in den Christmas Garden in der Wilhelma. Ein kleiner Trost in dieser tristen Zeit, die eigentlich zu den wichtigsten Wochen der Narren und Hexen gehört. „Wir wollen nicht, dass unser Verein stirbt“, sagt Martina Votek.

 

Die Zunft hat eine lange Tradition

Die Fasnet beginnt nach dem Dreikönigstag. Die Fasnetsveranstaltungen dauern bis zum Beginn der Fastenzeit, die auch Namensgeber der fünften Jahreszeit ist. Seinen Höhepunkt erreicht das närrische Treiben sechs Tage vor Beginn der Fastenzeit am „Schmotziga Doschtig“.

Mit der Narrentaufe erwacht die Fasnet. Das Spektakel findet traditionell am 6. Januar statt. Dabei werden die neuen Mitglieder getauft und in den Verein aufgenommen. Die Anwärter müssen Prüfungen bestehen, die auch schon mal recht unappetitlich sein können.

Narren verstoßen übrigens nicht gegen das Vermummumgsverbot: Eine Ausnahme in Paragraph 17a des Versammlungsgesetztes erlaubt in der fünften Jahreszeit Masken und Helme, die das Gesicht bedecken. Bei den Umzügen und selbst beim Autofahren gilt sozusagen Narrenfreiheit. kd