Seit der Corona-Zeit hat die Natur vor der Haustür extrem an Beliebtheit gewonnen: Das gilt auch für das Bissinger Waldgebiet. Allerdings – und auch das ist kein exklusives Bissinger Problem – gibt es dabei einen natürlichen Konflikt zwischen Erholung und Naturschutz.
In Zusammenarbeit mit dem TG Bissingen und seiner Radsportabteilung eröffnet die Gemeinde buchstäblich neue Wege, um die Freizeitbedürfnisse möglichst vieler mit dem Erhalt des Waldes und seiner Bewohner unter einen Hut zu kriegen. Die Gemeinde hat jetzt mit dem Kreisforstamt, Vertreterinnen und Vertretern der Naturschutzverbände sowie Sportlern des TG und Jagdpächtern einen neuen Mountainbike-Trail im westlichen Bissinger Tal entworfen. Nach dem Vorbild der Gemeinde Lichtenwald soll damit vor allem ein legales Angebot geschaffen werden, das die Natur schont. Ausführliche Hinweise auf die Strecke sollten MTB-Freunde aber nicht erwarten, denn die Gemeinde will keinesfalls ein neues touristisches Angebot schaffen. „Wir wollen keine Heerscharen anlocken, sondern vor allem den örtlichen Bedarf decken“, betont Bürgermeister Marcel Musolf.
Die Leiterin des Kreisforstamts, Cordula Samuleit, hat im Gemeinderat das Konzept erklärt. „Wir legen großen Wert darauf, legale Angebote machen zu können, und keine Verbote auszusprechen“, betont sie. Die Hoffnung dahinter: Vor allem die Jungen können sich austoben, und halten dabei den Schaden an der Natur gering. „Die meisten Mountainbiker wollen keinen Schaden anrichten, aber sie wissen es oft nicht besser“, sagt Cordula Samuleit. In den meisten Fällen liegt das Problem in fehlenden Alternativen: „Die Sportler fragen mich: Wo sollen wir denn fahren?“ Auch wenn es Uneinsichtige natürlich immer gebe: „Fünf Prozent kriegen sie eh nicht, aber das ist immer noch besser als 50 Prozent.“
Die Streckenbegehung hatte ihren Sinn, denn der ursprüngliche Vorschlag der Biker musste korrigiert werden. Der Grund: Die Strecke führte zunächst direkt an einem Horstbaum als Nistplatz für Greifvögel vorbei. „Die mögen es nicht, wenn das Großraubtier Mensch unmittelbar bei ihnen vorbeifährt“, sagt die Forstamtsleiterin. Es habe auch schon Bussarde gegeben, die Sportlerinnen und Sportler angegriffen haben. Auch wo Orchideen blühen oder Gelbbauchunken und Molche leben, gilt: Da geht es nicht.
Schon das Anlegen des Trails soll möglichst naturschonend stattfinden. Der Trail wird daher auch keine baulichen Maßnahmen mit sich bringen: Planiermaschinen oder Bagger kommen nicht zum Einsatz. Dass es auf der nun geplanten, etwa drei Kilometer langen Strecke entlang eines bestehenden Waldweges außerhalb des Naturschutzgebiets keine Schanzen geben wird, hat allerdings einen anderen Grund. „Erlaubt sind nur typische Gefahren wie Äste und überrollbare Hindernisse. Der Wald ist ja offen zugänglich, wenn der Fünfjährige das spannend findet und dann zwei Meter unter der Schanze liegt, haben sie ein Problem“, sagt Samuleit. Es geht also um Haftung, in dem Fall träfe das die Gemeinde. Daher sei der Trail mehr ein Kurs, um den richtigen Flow, das Driften und die Technik bei geringem Gefälle zu üben. „Das müssen Durchschnittsfahrer bewältigen können.“ Für einen technisch anspruchsvollen Kurs gebe es spezielle Sportstätten, erklärt die Forstamtsleiterin.
Start im Herbst
Möglich halten die Verantwortlichen einen Start der Mountainbike-Strecke im Bissinger Wald im Herbst. Bedenken hat allerdings Gemeinderätin Gabriele Goebel (Unabhängige Wählervereinigung): „Der Landkreis will ja Trails vernetzen, wie hält man dann die Außenstehenden raus? Da sind wir vom Waldschutz weit entfernt.“ Hansjörg Richter verweist auf Erfahrungen aus Lichtenwald, wo weniger illegale Nutzung stattfindet. Mit oder ohne Trail: Das Thema Waldnutzung bleibt auch in Bissingen ein Dauerbrenner, denn, so Samuleit: „Wir haben eine hohe Besiedlungsdichte. Es gibt keinen Schutz ohne Lenkung.“
So will Bissingen das Freizeitverhalten von Einheimischen und Besuchern lenken
Der geplante Mountainbike-Trail in Bissingen soll zunächst für die Jahre 2023 bis 2025 ausprobiert werden. Danach erfolgt eine Bewertung, um dann zu entscheiden, ob die Strecke dauerhaft bestehen bleibt. Darauf hat sich der Gemeinderat einstimmig geeinigt. Der TVB wäre dann dafür zuständig, die einzelnen Maßnahmen zurückzubauen. Die Jägerschaft des Jagbogens, die den Biketrail unterstützt, erhält dafür eine Ermäßigung der Jagdpacht.
Zur Lenkung des Freizeitverhaltens im Freien hat der Gemeinderat noch weitere Maßnahmen beschlossen. Der Radweg soll künftig nicht mehr über die Viehweide sondern unterhalb des Schafhauses entlang geführt werden. zu verlegen, da dies bereits heute viel genutzt wird.
Für das Miteinander zwischen Landwirtschaft, Jägerschaft, Natur, Radfahrern und Wanderern zu fördern, soll es eine eigene Beschilderung auf den Feldwegen geben, die den Umgang im Außenbereich regeln soll. Dazu gehören Hinweise, die eigentlich jeder und jede kennen sollte: Auf den Wegen bleiben und weder Äcker noch Wiesen oder Obstanlagen zu betreten, keinen Hundekot oder Müll hinterlassen und landwirtschaftlichen Verkehr auf Feldwegen Vorfahrt gewähren. Auch Tiere sollten nicht angefasst und Pflanzen weder ausgerissen noch beschädigt werden.
Für Autofahrer soll es in Ochsenwang ein kleines Parkleitsystem geben. Dadurch sollen Ausflügler erkennen, wo Parkplätze zur Verfügung stehen, um Parken auf landwirtschaftlichen Flächen zu vermeiden. Weitere Parkplätze sind geplant. zap