Wäre alles ohne Zwischenfälle verlaufen, hätten im geplanten Neubaugebiet Gänsweide III am Fuße der Weilheimer Limburg vermutlich schon bald die ersten Häuser gestanden. Eine Änderung des Naturschutzgesetzes hat die Pläne jedoch kräftig durcheinandergewirbelt. Wann, ob und unter welchen Bedingungen die Gänsweide III kommt, ist im Moment offen.
Grund ist der im Juli 2020 neu eingeführte Paragraf 33a des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes. Er stellt Streuobstwiesen noch stärker unter Schutz als bisher. Das Problem: „Es gab bei dem Gesetz keine Übergangsfristen“, sagt Volker Sigel, Leiter der Weilheimer Bauverwaltung. Das heißt, auch bereits laufende Bauverfahren sind davon betroffen – nach Auskunft des Umweltministeriums waren es bis Anfang 2022 landesweit 55. Dabei ging es fast ausschließlich um Baugebiete. „Verzögerungen ergeben sich insbesondere dann, wenn die nötigen Untersuchungen zu einer Genehmigung nicht vorliegen“, erläutert Bettina Jehne, Pressesprecherin des baden-württembergischen Umweltministeriums.
Eine klassische artenschutzrechtliche Prüfung für die Gänsweide III liegt in Weilheim zwar schon vor. Die Stadt muss angesichts dessen, dass der Streuobstbestand dort geschützten Fledermaus- und Vogelarten sowie Zauneidechsen Lebensraum bietet, nun weitere artenschutzrechtliche Untersuchungen nachreichen. Nach Auskunft der Stadt Weilheim gehen sie „über das übliche Maß hinaus“.
Mit Inkrafttreten des „Streuobstparagrafen“ stand auch fest: Die Streuobstfläche in der Gänsweide darf nur dann in Bauland umgewandelt werden, wenn die Untere Naturschutzbehörde – also das Esslinger Landratsamt – die Genehmigung erteilt. „Ob die Voraussetzungen für eine Umwandlung vorliegen, kann im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens geprüft werden“, sagt Sarah Panten, stellvertretende Pressesprecherin im Landratsamt. Den Antrag auf Genehmigung stellen kann die Stadt aber erst, wenn alle Untersuchungen vorliegen. Die Ergebnisse erwartet Volker Sigel im Frühjahr 2023.
Geprüft wird beim Landratsamt Esslingen dann gemäß des Gesetzes, was für das öffentliche Interesse schwerer wiegt: die Erhaltung des Streuobstbestandes oder die Schaffung von Wohnraum. Für die Umwandlung sprechen könnte aus Sicht von Volker Sigel, dass in der Gänsweide III keineswegs nur Einfamilienhäuser geplant sind. „Da geht es auch um sozialen Wohnungsbau und dringend benötigten günstigen Wohnraum“, sagt er.
Aufwand und Kosten steigen
Wie das Verfahren ausgehen könnte, darüber möchte der Leiter der Bauverwaltung nicht spekulieren. Fest steht für ihn aber eines: „Es wird immer schwieriger, im Außenbereich eine Entwicklung hinzukriegen.“ Durch die zusätzlichen Forderungen und die zeitlichen Verzögerungen steigen auch Aufwand und Kosten. „Wir mussten jetzt schon mit allen Eigentümern der Flächen im Bereich Gänsweide erneut verhandeln und die Fristen verlängern“, sagt Volker Sigel. Bereits Anfang 2021 war der städtebauliche Entwurf verabschiedet worden, der Bebauungsplan hätte Ende vergangenen Jahres stehen sollen.
Übrigens: Die Einführung des Paragrafen 33a geht auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ zurück. „Ein besserer Schutz der Streuobstbestände war eine zentrale Forderung des damaligen Volksbegehrens“, sagt Bettina Jehne vom Umweltministerium. Der neue „Streuobstparagraf“ sei in einem umfangreichen Dialogprozess mit den Initiatoren und Unterstützern des Volksbegehrens sowie mit den landwirtschaftlichen Verbänden verhandelt worden. „Er ist integraler Teil des Biodiversitätsstärkungsgesetzes, mit dem das Volksbegehren einvernehmlich beendet wurde“, geht sie auf dessen politische Bedeutung ein.
Zwei Hektar großes Gebiet soll Lücke schließen
66 Wohneinheiten sind im Baugebiet Gänsweide III geplant. Im Norden und Nordosten der rund zwei Hektar großen Fläche sollen Mehrfamilienhäuser entstehen. Außerdem sind 27 Grundstücke für Einfamilien- und Doppelhäuser vorgesehen. Das Baugebiet liegt am Fuß der Limburg und schließt die Lücke zwischen dem Baugebiet Gänsweide II sowie der Kelterstraße und dem Mönchweg.
Verzögerungen hatte es bereits beim benachbarten Baugebiet Gänsweide II gegeben. Komplizierte Grundstücksverhandlungen, ein Baum mit geschützten Juchtenkäfern und Einwände des Naturschutzes trugen dazu bei. Insgesamt hatte es die Stadt Weilheim rund fünf Jahre gekostet, bis im Baugebiet Gänsweide II im Herbst 2017 die Bagger anrollen konnten. bil