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Naturtheater Grötzingen: Ein Kater stiefelt auf die Freiluftbühne

Theater Das Naturtheater Grötzingen hat Premiere des Kinderstücks „Der gestiefelte Kater“ gefeiert. Das
spielfreudige Ensemble bekam viel Applaus für die moderne Fassung des Märchenklassikers. Von Sara Hiller

Ein über 200 Jahre alter Märchenklassiker als Stoff für die Freiluftbühne? Von wegen verstaubt und antiquiert: Der König wird zum Handarbeitsfanatiker nebst emanzipierter Tochter mit eigenen Zukunftsplänen – und zwischendrin ist ein sprechender Kater auf Abenteuertrip mit dem Müllerssohn. Getoppt werden kann dieses Spektakel dann nur noch durch die Grimm Girls, die mit Gesang und Tanz für Musical-Momente sorgen.

 

Du kannst mich Magnus von Mäuseschreck nennen, so wie meine Freunde.
Der gestiefelte Kater
verrät seinen Namen.
 

Bühne frei für eine Grimm’sche Märchen-Version, die in ihrer Liebe zum szenischen und schauspielerischen Detail kleine und große Theatergäste begeistert: Am Sonntag zeigte das Ensemble des Naturtheaters Grötzingen die Uraufführung der von Kerstin Schürmann verfassten und von Regisseur Marco Beck inszenierten Adaption von „Der gestiefelte Kater“. Die sehr gut besuchte Premiere läutet die Spielzeit des Kinderstücks ein, das bis Ende August auf der Freilichtbühne zu sehen ist.

„It’s showtime“: Wenn sich Dornröschen, gespielt von Rebecca Jooß, Rapunzel, verkörpert von Marlene Sievering, Rotkäppchen, gespielt von Helena Aust, Schneeweißchen und Rosenrot, in deren Rollen Ina Hölzle schlüpft, und Hannah Bredin als Schneewittchen als Band zusammentun, kann es nur krachen. Als singende, rappende und tanzende „Grimm Girls“ bringen sie nicht nur optischen und akustischen Pep in das Geschehen. Denn sie sind es, die das „Es war einmal“ neu erzählen. Gemeinsam halten die Powergirls den dramaturgischen roten Faden in Form eines silbern glänzenden Märchenbuchs in der Hand. Und verbinden mit der von Magnus Reichel komponierten Musik die einzelnen Szenen und Handlungsstränge zu einem Ganzen.

Für die beiden Schwestern gibt es als Erbe die Mühle und den Esel, für den Jüngsten nur den Kater. Nach dem Tod des Vaters muss Müllerssohn Hannes, gespielt von Julian Wieteck, zu allem Übel auch noch sein Glück in der Ferne suchen. Doch statt mit Fellhandschuhen überrascht ihn der plötzlich sprechende Kater mit seinem Faible für Abenteuer.

Remo Hasenberg als gestiefelter Kater sorgt für leuchtende Kinderaugen im Publikum: „Du kannst mich Magnus von Mäuseschreck nennen, so wie meine Freunde.“ Doch zuvor bedarf es für den Fellnasen-Abenteurer passender Schuhbekleidung – Händlerin Sibilla Silberknopf, gespielt von Helen Sabuni, hätte da das passende Paar weißer Lederstiefel im Angebot. Ausgestattet mit einer großen Portion Cleverness und Glück wird der Kater den Müllerssohn zum wohlhabenden und Grafen machen. Und ihn schließlich bis zum König und dessen Tochter bringen.

Apropos König Wilhelm: Der Machthaber sieht seine Erfüllung vielmehr in Wolle und Stricknadeln statt im Nachgehen von Staatsgeschäften. Gemanagt wird die von Norbert Kytka sympathisch gemimte personifizierte Strickliesel vom couragierten Hofmarschall Pim, verkörpert von Sophia Petermann, und Elke Berner in der Rolle der Köchin Mina samt dem dienenden Gefolge.

Seine nonkonforme Tochter, Prinzessin Isadora „Isi“, gespielt von Lea Neumeister, hat sich zusammen mit ihrer treuherzigen Cousine Doro aus dem Schloss unter das Volk geschlichen. Mia Hasenberg verleiht ihrer Rolle der Doro eine unverwechselbar quirlig-verpeilte Art. Auf dem Markt trifft Isi auch auf Hannes, den Müllerssohn – und der Funke springt sofort über.

Das Böse darf auch in diesem Märchen nicht fehlen. Das Zauberer-Geschwisterpaar Adelmar und Arsenia, gespielt von Leander Aust und Nina Rilli, wirken ganz dem Größenwahn verfallen in ihrem blubbernden und brodelnden Zauberlabor. Getrieben von der Gier nach Macht, fädelt Arsenia den Plan ein, über ihren Bruder als Zukünftigen der Prinzessin an das Königreich zu gelangen. Doch wäre da nicht der gestiefelte Kater, der kurzerhand aus der scheinbar größten Zauberin der Welt ein kleines flauschiges Mäuschen macht. Und nebenbei den Bann der verschwundenen Königin Jamesina, in deren Rolle Heike Arnold schlüpft, bricht. Am Ende gibt es also doch ein kollektives Happy End.

Jäger tanzen für Rebhühner

Situationskomik und jede Menge Freude am gemeinsamen Spiel: Das Bühnenstück lebt von der ansteckenden Theaterlust des jungen Ensembles. Es ist amüsant anzusehen, wie Til Kleinknecht, Emil Rilli und Klementina Schlegel als Jägertrio mit ihrem etwas eigensinnigen Rebhuhn-Anlocktanz des Königs Leibspeise nachstellen.

Märchenklischees werden spielerisch aufgebrochen mit einer Prinzessin in Pluderhose statt Ballkleid und einem Vater, der mit den Heiratsplänen seiner Tochter einverstanden ist. Umrahmt und getragen wird das Freilufterlebnis von Constanze Gaißmaier und Franziska Borchers mit einem ausdrucksstarken Bühnen- und Kostümbild und der von Sophia Petermann geleiteten Maske.

„Der gestiefelte Kater“ ist ein modernes Stück für die ganze Familie. Mit Musik, Tanz und tierischem Theaterspaß wird das Grimm’sche Märchen in die heutige Zeit hineinkatapultiert. Noch bis Sonntag, 20. August, kann das Kinderstück im Naturtheater Grötzingen erlebt werden.

 

Info: Karten gibt es online unter ­www.naturtheater-groetzingen.de oder im Stadtbüro der Nürtinger Zeitung in Nürtingen unter der Nummer 0 70 22/9 46 41 50.