Neidlingen. Beim Abwasser muss eine Kommune kostendeckend arbeiten. Sie darf also keine Gewinne erwirtschaften und keine Verluste erleiden. Waren die Gebühren höher als die Kosten, muss sie die Differenz innerhalb von fünf Jahren an die Bürger zurückerstatten. Waren die Gebühren zu niedrig, muss sie die Differenz im gleichen Zeitraum nachfordern.
In Neidlingen ist nun letzteres der Fall. Zwar wurde der kalkulatorische Zinssatz für interne Kredite an die Abwasserversorgung zum 1. Januar 2022 auf 2,5 Prozent halbiert, was die Kosten senkt. Dafür fielen die Ausgaben aber an anderen Stellen höher aus, als im Jahr 2017 für die nächsten Jahre kalkuliert wurde. Die notwendigen Kanaluntersuchungen waren teurer, auch die Erstattung an die Stadt Weilheim ist deutlich angestiegen: Sie reinigt in ihrer Kläranlage auch das Abwasser aus Neidlingen. Kostensenkend wirkt wiederum, dass es in Neidlingen deutlich mehr Schmutzwasser gab als kalkuliert und sich somit die gesamten Kosten auf deutlich mehr Kubikmeter verteilen.
In der Summe fällt die errechnete Schmutzwassergebühr aktuell mit 2,82 Euro pro Kubikmeter um elf Cent geringer aus als der bisher gültige Satz von 2,93 Euro. Da aber beim Schmutzwasser in den Vorjahren ein Verlust von mehr als 68 000 Euro aufgelaufen ist, der ausgeglichen werden muss, steigt die Gebühr stattdessen auf 3,29 Euro.
Beim Niederschlagswasser ist ebenfalls in den Vorjahren ein Verlust entstanden, er liegt bei knapp 55 000 Euro. Auch er muss ausgeglichen werden. Die kostendeckende Gebühr pro Quadratmeter verdreifacht sich daher beinahe: Statt 25 Cent werden nun 74 Cent fällig.
Die neuen Gebührensätze, das hat der Neidlinger Gemeinderat einstimmig beschlossen, gelten rückwirkend vom 1. Januar 2022 und bis Ende 2023. Waren die beiden Neidlinger Gebührensätze im Vergleich mit den umliegenden Gemeinden bisher unter dem Durchschnitt, sind sie nun beide leicht überdurchschnittlich.
Die Gemeindeverwaltung hat errechnet, wie sich die neuen Gebühren auf einen Musterhaushalt auswirken, bei dem eine Familie mit zwei Kindern ein Einfamilienhaus bewohnt. Für 123 Kubikmeter Abwasser und 103 Quadratmeter Fläche werden statt bisher 386 Euro im Jahr nun 481 Euro fällig. Das entspricht Mehrausgaben von 95 Euro im Jahr oder acht Euro im Monat.
Die komplizierte Berechnung der Gebührensätze hat die Gemeinde Neidlingen nicht selbst vorgenommen, sondern damit die Allevo Kommunalberatung im niedersächsischen Melle beauftragt. Die Kalkulation für die beiden Jahre umfasst 36 Seiten an Texten und Tabellen, die Beschlussvorlage selbst dann nur noch vier zusätzliche Seiten.
Weilheims Kämmerer Dennis Bräunle trug dem Neidlinger Gemeinderat denn auch nur eine Kurzfassung der Zahlen und Fakten vor. Wer es noch genauer wissen wollte, musste zuhause studieren. Peter Dietrich