Nachruf
Neidlingens Altbürgermeister Ulrich Rieker ist gestorben

Ulrich Rieker war 36 Jahre an der Verwaltungsspitze des Reußensteinorts und ehrenamtlich im Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg engagiert.

Ulrich Rieker. Foto: Peter Dietrich

Neidlingen. „Sein Beruf war ihm wichtig, die Bürger, die Familie – er selbst war sich nie wichtig“, sagt Rosemarie Rieker über ihren am Mittwochmorgen im Alter von knapp 88 Jahren verstorbenen Mann Ulrich Rieker. 36 Jahre war er Bürgermeister in Neidlingen, prägte den Ort von 1962 bis 1998. Viel ist in dieser Zeit passiert: Der Ort ist gewaltig gewachsen, fünf Millionen Mark wurde in die Flurbereinigung und 42 Kilometer Feldwege investiert, die Reußensteinhalle gebaut, die Lindach verdolt, um Gehwege an der Ortsdurchfahrt realisieren zu können, die Pfarrscheuer erhalten, die Müllabfuhr eingeführt und vieles mehr. Für all die Verdienste wurde Ulrich Rieker zum Ehrenbürger ernannt – nachdem er schon 18 Jahre seinen wohlverdienten (Un-)Ruhestand genossen hatte.

„Er hat sehr ausgleichend gewirkt und viel Zeit in sein Ehrenamt beim Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg gesteckt“, erinnert sich Rosemarie Rieker an diese Zeit, die geprägt war von zwei Obstbaumschnitt-Strömungen. „Dank seiner Hilfsbereitschaft und seiner gerechten Art hat er nicht nur dort eine Vorbildfunktion gehabt“, sagt sie. 

Menschlichkeit, Liebe und Fürsorge waren seine Eigenschaften, verbunden mit Lebensfreude. 62 Jahre war Ulrich Rieker mit seiner Frau Rosemarie verheiratet, beide kommen sie vom Unterland. Kennengelernt haben sie sich 1959 im Landratsamt Heilbronn. „Er war ein großer CVJMler, der Dekan hat uns getraut“, erinnert sich Rosemarie Rieker gerne an diesen Tag zurück. Ebenso an den Heilbronner Freundeskreis, der Jahrzehnte bestand und zu dem auch der einstige Ministerpräsident Lothar Späth gehörte. Das Fundament der Clique war die gemeinsam besuchte Verwaltungsschule.

Eher dem Zufall war der Umzug nach Neidlingen geschuldet. Der in Weinsberg geborene Ulrich Rieker erklärte eines Tages im Landratsamt Heilbronn: „Auf die nächste Bürgermeisterstelle, die ausgeschrieben wird, bewerbe ich mich.“ Landrat Eduard Hirsch wollte ihn nicht gehen lassen und wies ihn deutlich darauf hin, dass demnächst in Wüstenrot eine Stelle frei werde. Doch da war die Bewerbung schon abgeschickt. Auf Anhieb gewann Ulrich Rieker mit 25 Jahren im ersten Wahlgang gegen vier weitere Bewerber das Rennen um den Bürgermeistersessel in Neidlingen. Somit wagte das Ehepaar gemeinsam den Schritt und zog an den Fuß der Alb. Fortschrittlich war Uller, wie Rosemarie Rieker liebevoll ihren Mann nannte, denn es war damals auf dem Land alles andere als üblich, dass seine Frau mit drei Kindern ihren Beruf als Lehrerin ausübte. Für Ulrich Rieker war es selbstverständlich. 

Seine Frau war an seinem letzten Tag an seiner Seite. Sein Wunsch ging in Erfüllung, in seinem Haus sterben zu können. Friedlich ist er einschlafen. „In seiner vorhersehenden Art hat er alles vorbereitet“, ist Rosemarie Rieker dankbar – auch für die lange verbrachte, gemeinsame Zeit. „Wichtig war ihm immer der Mensch, sein Charakter“, sagt sie.