Es ist ein perfektes Jahr, um im Wasser zu bauen“, sagt Michael Scheich, Leiter Immobilien bei der Firma C. A. Leuze, mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus in der Stimme. Auf Höhe der Bäckerei Salcher in Unterlenningen wird die Wehranlage in der Lauter komplett erneuert.
Die Baustelle direkt an der B 465 fällt auf. Der Kran ragt in den Himmel, ein Bagger fährt die Rampe am Ufer rauf und runter, Bauarbeiter stehen im trockengelegten Bachbett. Offen in einer schmalen Rinne und in Rohren fließt derzeit das Wasser der Lauter, damit es einen trockenen Arbeitsraum für die nötigen Maßnahmen gibt.
Das künftige Bauwerk besteht aus drei Bauteilen und damit auch drei Bauabschnitten: Fischaufstieg, Fischabstieg und die Wehranlage selbst. Das Bachbett wird deshalb hin und her geschoben. Im ersten Bauabschnitt ist die Lauter um die Hälfte eingeengt. „Wir bauen als erstes die Fischtreppe“, erklärt Bauleiter Jochen Traxler und sagt weiter: „Der Fisch orientiert sich an der stärksten Strömung, dann finden sie den Aufstieg automatisch, ebenso den Abstieg.“ Im Zickzack schwimmen die Tiere bachaufwärts der Quelle entgegen. Dabei hüpfen sie von einem Bassin in das nächsthöhere. Die „Wannen“ sind jeweils vertieft. So können die Fische in den ruhigen Wasserzonen für den nächsten Sprung genügend Kraft sammeln. Damit die Treppe ihre Funktion erfüllen kann – die Fische die Höhendifferenz meistern können -, müssen entsprechende Abstände und Höhen eingehalten werden. „In Owen mussten wir wegen Reparaturarbeiten die Anlage abfischen. Auf etwa 40 Meter waren über 100 Fische in allen Größen drin“, verdeutlicht Michael Scheich den Sinn dieser Maßnahme. Insgesamt betreibt die Firma C. A. Leuze drei Wehranlagen an der Lauter.
Der Abstieg lässt sich einfacher gestalten. „Das muss man sich wie eine Art Wasserspeier vorstellen“, sagt Jochen Traxler. Mit Schwung landen die Fische in einem Gumpen und können Richtung Neckar schwimmen. Zum Schluss sind die Stahlgewerke an der Reihe. 15 Millimeter beträgt der Abstand der Gitterstäbe, damit zum einen die „dicken Fische“ nicht durchkommen, zum anderen verhindern sie, dass großes Treibgut in die Wehranlage dringt. Dazu kommt ein mechanischer Rechen, der Holz, Müll und anderes Schwemmgut weiterschiebt, damit der Eingang zur Anlage nicht verstopft wird.
Wegen der alten, steinernen Rundbrücke ist auch das Denkmalamt involviert, ebenso ein Statiker und Geologe. Notwendig geworden ist die aufwendige Maßnahme, weil das Kraftwerk wegen der Neubauten im „Leuze-Park“ um etwa 30 Meter versetzt werden muss. „Das ist wie ein Neubau zu betrachten und deshalb müssen wir die Wasserrahmenrichtlinie umsetzen. Das Traurige an der Geschichte: Wir müssen mehr Wasser im Mutterbett lassen – und das in Zeiten von grünem Strom“, bedauert Michael Scheich. Vor dem Umbau mussten 180 Sekundenliter im natürlichen Fluss bleiben, künftig sind es 280 Sekundenliter.
Die Anlage wird zwischen 600.000 und 650.000 Kilowatt Strom produzieren. „Wir können damit 100 bis 120 Einfamilienhäuser versorgen“, erläutert Matthias Gall, Geschäftsführer der C.A. Leuze. Die Kosten liegen nach seiner Aussage im höheren sechsstelligen Bereich. Läuft alles nach Plan, soll das Kraftwerk im kommenden Frühjahr in Betrieb gehen.
„Hier kommt alles zusammen: Wasserbau und enger Arbeitsbereich wegen der Bundesstraße. Das ist eine interessante Baustelle, eine Herausforderung. So was will man nur einmal in seinem Leben bauen“, sagt Michael Scheich. Wegen der angekündigten Schlechtwetterlage Anfang Juni wurde der Baubeginn um über eine Woche verschoben. „Es war gut, dass es das große Hochwasser gab. So haben wir die immense Kraft des Wassers vor Augen geführt und damit Respekt bekommen“, erklärt Michael Scheich.
Ende dieses Jahres sollen die Bauarbeiten an der Lauter abgeschlossen sein. So lange wird die Brücke voll gesperrt blebien. Auch Fußgänger müssen einen Umweg in Kauf nehmen, wenn sie von der Benzstraße in die Kirchheimer Straße gelangen wollen. Die Umleitung erfolgt über die Burg- und Daimlerstraße beziehungsweise die Max-Leuze-Straße zur Benzstraße.