Zwischen Neckar und Alb
Neuer Studiengang Zukunftsökonomie verbindet Ökologie und Ökonomie

Bildung Der Studiengang Zukunftsökonomie ersetzt künftig die Volkswirtschaftslehre an der Nürtinger Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU). Ökologie und Ökonomie ist dabei kein Widerspruch. Von Andreas Warausch

Klimakrise und Nachhaltigkeit, Globalisierung und Digitalisierung: Diese Problemfelder beschäftigen die Gesellschaft – und werden sie künftig beschäftigen. „Zukunftsherausforderungen“ nennt sie Christian Arndt. Der Volkswirtschafts-Professor leitet zusammen mit seiner Kollegin Ulrike Berger-Kögler an der HfWU den neuen Studiengang Zukunftsökonomie. Dieser Name ist Programm: Diese Herausforderungen der Zukunft und die Ökonomie sollen unter einen Hut gebracht werden.

Ein Spagat? Arndt verneint. „Das ist kein Widerspruch.“ Ob Regionen oder Unternehmen oder auch Hochschulen: Überleben, ist Arndt sicher, können nur diejenigen, die eben auf beiden Beinen stehen. Nur wer Zukunftsherausforderungen und ökonomische Belange berücksichtigt, werde Erfolg haben. Ein wertefreies „Weiter so“ führe auch ökonomisch in die Sackgasse. „Die Bedarfe und Herausforderungen sind so groß, dass nur der, der hierzu Lösungen anbietet, erfolgreich sein wird“, lautet Arndts Credo. Klima, Biodiversität, Ungleichheit und Chancengerechtigkeit, sozialer Frieden – das sind für Arndt, der auch das HfWU-Zentrum für Nachhaltige Entwicklung leitet, solche Herausforderungen.

 

Es geht um Zukunfts­kompetenzen, die jetzt schon gefragt sind.
Christian Arndt
Der Professor an der HfWU über die Ausrichtung des neuen Studiengangs

 

Haben auch die Unternehmen das verstanden? Arndts Antwort fällt zweigeteilt aus. Überrascht sei er, wie viele das bereits verinnerlicht hätten. Wenngleich auch noch viele im Status quo gefangen seien. Dennoch: Auf den Willen zur Transformation treffe man immer wieder. Arndt: „Für die Umsetzung braucht es aber Leute.“ Und die will man an der HfWU ausbilden.

Ab dem Wintersemester soll das im Studiengang Zukunfts­ökonomie geschehen. Er wird die gute alte Volkswirtschaftslehre ablösen. Und das ist viel, viel mehr als nur eine Namensänderung. Die Inhalte werden neu gestaltet, eben hin zu den Zukunftsherausforderungen. Ein Jahr lang dauerte der Umwandlungsprozess. Arndt räumt ein: „Wir waren in der Krise.“ Die Studierendenzahlen gehen mancherorts zurück. Und entsprechende Rückmeldungen gab es von Partnerunternehmen, von Studierenden. Moderne Ansprüche werden gestellt. In bioökonomischer oder wirtschaftspsychologischer Hinsicht. Zum gemeinsamen Prozess gehörte eine Marktanalyse. Auch der Blick auf die Wünsche der Studierenden, die sich oft in der Frage „Was kann ich damit tun?“ zusammenfassen lassen. Am Prozess beteiligt waren deshalb nicht nur die Hochschulleitung, nicht nur die Professoren. Auch Studierende brachten sich ein, Unternehmen, auch der Hochschulrat.

Jetzt ist der Studiengang mit seinen drei Bereichen (siehe Kas­ten) startklar. Darauf ist man an der HfWU stolz. Aber Arndt bekennt: „Wir sind nicht die Ersten.“ Ein weiteres Beispiel für die Zukunftszugewandtheit liefere der amerikanische Unternehmer John Doerr, der eine Milliarde Dollar für eine Klimahochschule in Stanford gespendet habe. So also sieht sich auch die HfWU in der Pflicht. Man müsse sich nun in Lehre und Ausbildung an den Zukunftsherausforderungen orientieren. Auch als Lehrende. Arndt: „Das sind wir der Gesellschaft schuldig.“ Aber freilich auch den Studierenden: „Wir geben ihnen ein Werteversprechen.“ Wie kann man Zukunft gestalten? Wie Nachhaltigkeit, Globalisierung, Digitalisierung?

Wer sich im neuen Studiengang mit diesen Fragen befasse, habe viele Betätigungsfelder vor sich. In Politik, in Verbänden, in Unternehmen, zählt Arndt auf. Oder auch im eigenen Start-up-Unternehmen. „Es geht um Zukunftskompetenzen, die jetzt schon gefragt sind“, unterstreicht Arndt.

Ganz konkrete Ansätze gibt es dazu auch im lokalen Umfeld. Hier geht es um kleine oder mittlere Unternehmen. Für Arndt finden sich hier „hidden champions“ – versteckte Meister mit einer herausgehobenen Rolle auf dem Markt. So hat man in einer Stadt in der Region für zwei Unternehmen untersucht, wie dieser Ort nachhaltig gestaltet werden kann, um Fachkräfte zu einem Zuzug zu bewegen. Das könnte auch dazu führen, dass weniger gependelt werden muss.

Auch in Nürtingen analysiert und bewertet man auf ethischer und qualitativer Basis für ein Unternehmen zum Beispiel Lieferketten. Damit könne das Unternehmen bei Großkunden punkten, statt nur auf den günstigsten Preis zu setzen. Ein anderes Unternehmen ist Weltmarktführer in einem Segment. Das Unternehmen will sich selbst transformieren, braucht aber Hilfe. „Dabei lernen wir miteinander und voneinander“, beschreibt Arndt den Ansatz.

Studierende kommen so mit Entscheidern aus der Wirtschaft in Kontakt. Unternehmen formulieren Impulse. Das geschieht in Form von Seminaren oder Science Labs. So könne man erforschen, welches Nachhaltigkeitskonzept am besten zum Unternehmen passe. Natürlich müsse bei den Unternehmen der Kunde im Mittelpunkt stehen. Doch eben auch der Planet. Überleben würden nur die Unternehmen, die bei ihren Entwicklungen auch die Grenzen des Planeten bezüglich Ressourcen und Materialien einhielten.

Arndt unterstreicht, dass nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Politik und Verbänden Beratungsbedarf bestehe. International und bis hinunter auf die lokale Ebene. Ein Beispiel ist für Arndt die aktuelle Senkung des Benzinpreises. Damit werde umweltschädliches Verhalten subventioniert. „Das ist völlig falsch“, sagt Arndt. Es werde eine Nachfrage nach einem Stoff angekurbelt, der sowieso knapp ist. „Und wer steckt das Geld ein?“, fragt Arndt.

Um an der Lösung solcher Probleme mitwirken zu können, sollen die jungen Menschen in einem „jungen, tatkräftigen, dynamischen Studiengang“ ausgebildet werden. Der Name „Zukunftsökonomie“ steht dabei ganz bewusst für die beiden Säulen. Ethisch und philosophisch sollen Erkenntnisse begründet werden und erkundet werden, welche erfolgreichen Wirtschaftsbranchen man brauche. In einer offenen Haltung sollen unter anderem auch Wachstumskritik, Globalisierungs- und Verteilungsproblematiken besprochen werden. Es gehe darum, Chancen und Probleme abzuwägen. Das ist die eine Säule. Die andere besteht darin, die gewonnenen Erkenntnisse mit ökonomischer Lösungskompetenz zu kombinieren. Denn Arndt sieht die Wirtschaft bezüglich Umwelt und Ressourcenverbrauch nicht nur als Teil des Problems, sondern als entscheidenden Teil der Lösung.

 

Drei Vertiefungsrichtungen

In „Green Economics“ wird gelehrt, wie eine Marktwirtschaft trotz Gewinnorientierung nachhaltig, sozial und gerecht funktionieren kann.

„Economics und Data Analytics“ sorgt für die analytischen Fähigkeiten und den nötigen Umgang mit Daten, damit Lösungen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen gefunden werden können.

In „International Economics“ lernen die Studierenden wirtschaftliche Zusammenhänge aus einer globalen Perspektive heraus zu analysieren und sich geostrategischen Herausforderungen zu stellen.

Bewerbungen für Zukunftsökonomie sind bis zum 15. Juli möglich. Weitere Informationen zu dem Studiengang gibt es unter www.hfwu.de/zub. aw