Hobby
Neuer Trendsport bei Mädchen: Das Steckenpferd als Steckenpferd

Das Phänomen Hobby-Horsing kommt aus Finnland und hat mittlerweile auch die Region erreicht. Beim SV Walddorf trainiert eine Gruppe regelmäßig das Reiten mit dem Holz-Plüsch-Tier. Was macht die Faszination aus?

Große Sprünge gehören zum Hobby-Horsing genauso dazu, wie elegante Dressurelemente – wie beim klassischen Reiten. Foto: Johannes Aigner

Ein lauter Schrei tönt durch die Halle, dann mischt sich Fußtrampeln unter die Musik aus den Lautsprechern. Sichtlich aufgeregt sucht eine Gruppe Mädchen jeden Zentimeter des Raums ab, linst unter Klopapierrollen, öffnet Garagentüren. „Halt mal bitte kurz“, sagt eine von ihnen zu ihrer Mutter und drückt dieser einen spitzen Hut in die Hand. Er mag hübsch sein, doch bei der Süßigkeitensuche stört er nur.

Einige Minuten später ist die Walddorfhäslacher Ballspielhalle abgegrast. Die Wangen der Mädels sind gerötet. Für eine kurze Pause machen sie an einem Sprungkasten halt, der zu einem Buffet umfunktioniert wurde. Schokoladenriegel und Bonbons zu suchen, gilt wohl nur in wenigen Sportarten als Aufwärmübung. Doch es ist schließlich kurz vor Halloween. Deswegen greift da gerade auch keine normale Mädchengruppe nach Muffins und Getränken, sondern eine bunte Mischung aus Zauberinnen, Vampiren und Skeletten. Und Hobby-Horsing nimmt eben eine ganz besondere Stellung in der Sportwelt ein.

Der Trendsport kommt aus Finnland

Hobby-Horsing ist der englische Begriff für Steckenpferdreiten. Was lange als kindischer Zeitvertreib für meist junge Mädchen abgetan wurde, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Trendsport entwickelt. Aus Finnland eroberte das Hobby-Horsing durch das Internet den ganzen Kontinent. Auch in Walddorfhäslach ist das Steckenpferdreiten mittlerweile angekommen. Beim SV Walddorf gibt es seit einiger Zeit einen Kurs. Das Interesse ist riesig. Mittlerweile läuft die Anmeldung nur noch über eine Warteliste.

„Ich glaube, Marlene war neun, als sie zum Steckenpferdreiten kam“, erzählt Kerstin Fischer über ihre Tochter. Gemeinsam mit ihrer Freundin Hannah Jones leitet sie die Gruppe. Auch um die Organisation des Turniers, das bereits in der Ballspielhalle stattfand, kümmerten sie sich und bewerteten die etwa 50 Teilnehmerinnen.

Egal, ob im Kostüm oder im Trainingslook, die Mädchen sind ernsthaft bei der Sache. Foto: Johannes Aigner

Anlehnung an den Pferdesport

Die Kategorien eines solchen Wettkampfs kennt man auch aus dem klassischen Reiten. Zeit- und Stilspringen gilt es mit dem Steckenpferd ebenso zu meistern wie etwa Dressurreiten. Nur findet das Ganze eben ohne richtiges Pferd statt.

Viele der Hobby-Horse-Begeisterten basteln ihr Sportgerät selbst. Anleitungen und Schnittmuster gibt es im Netz mittlerweile zuhauf. Doch bei nur einem Steckenpferd bleibt es meist nicht. „Meine Nähmaschine steht mittlerweile in Marlenes Zimmer“, erzählt Kerstin Fischer und lacht. Auch fertige Modelle gibt es zu kaufen. Je nach Ausführung müssen die Taschen dafür aber tief sein. Die Premiumversionen aus Finnland kosten teilweise Hunderte Euro.

Gleich mehrere Hobby-Horses

Hannah hat mittlerweile acht Steckenpferde, erzählt sie. Alle sind ein bisschen unterschiedlich. „Mit dem hier zum Beispiel kann ich nicht so gut Dressur machen“, sagt sie und klopft auf ihr schwarzes Hobby-Horse. Die Kopfform macht einen Unterschied, ebenso wie das Gewicht. Für das Dressurreiten habe sie etwa eines, das 800 Gramm wiege.

Die 15-Jährige kennt sich aus. Mitte September holte sie bei der Deutschen Meisterschaft in Frankfurt den dritten Platz in der schweren Dressur. „Es ist einfach eine tolle Gemeinschaft“, versucht sie, die Faszination an dem Sport zu erklären.

Die ist in dem Kurs deutlich zu spüren. Im Unterschied zu anderen Trainingskursen wird im Hobby-Horsing beim SV Walddorf nicht nach Alter unterschieden, die Gruppe ist bunt gemischt. Manche Teilnehmerinnen sind fast doppelt so alt wie ihre Mitstreiterinnen. „Die Jungen bewundern die Alten und die Alten lassen sich gerne von den Jungen anhimmeln“, sagt Kerstin Fischer.

Das Alter ist gemischt

„Das wird echt mies“, sagt eines der jüngeren Mädels und blickt zu Hannah auf. In den vergangenen Minuten sollte die Gruppe spontan eine etwa zwei Minuten lange Kür einüben. Jetzt müssen sie diese zu zweit aufs Parkett bringen. „Keine Sorge, zur Not improvisiert ihr irgendwas“, antwortet Hannah, lächelt und schiebt hinterher: „Das hab’ ich auch schon tausendmal gemacht, es muss ja nicht perfekt sein.“

Mit neuem Mut treten das junge Mädchen und ihre Mitstreiterin an die Grundlinie. „Zombie“ von The Cranberries tönt aus den Lautsprechern. Ein Gruß an die imaginären Juroren darf nicht fehlen. Fehlen sollten dafür aber Blicke zur Partnerin. „Die beiden müssen sich eigentlich blind verstehen“, erläutert Marlene Fischer. Mit den Zügeln in der Hand tänzeln die beiden durch die Ballspielhalle, immer möglichst synchron. Hin und wieder wandern die Augen der beiden dann aber doch über die Schulter zur Kür-Partnerin. Die Konzentration steht den beiden ins Gesicht geschrieben. Dann ist es geschafft. Hüpfend laufen die Mädels zum Rest der Gruppe, die zum Abschluss fleißig applaudiert.