Die schwierigen Fälle verhalten sich in der Flüchtlingsunterkunft weitgehend unauffällig
„Nicht mehr und nicht weniger Probleme“

Die Aufregung war groß, nachdem bekannt gegeben wurde, dass der Landkreis die schwierigen Fälle in die Deizisauer Asylunterkunft schickt. Die „Störenfriede“ aus anderen Unterkünften haben aber bislang nicht mehr und nicht weniger Probleme bereitet. Auffällig ist, dass die Polizei häufig im Ort Streife fährt.

Deizisau. 21 Männer sind inzwischen in der Baracke in der Sirnauer Straße aufgenommen worden, die meisten aus Nordafrika, seit kurzem auch ein Iraner. Alle sind sie in größeren Unterkünften negativ aufgefallen. Bei seinen Besuchen in der Unterkunft habe er die Atmosphäre als „neutral“ empfunden, sagt Bürgermeister Thomas Matrohs. Manchmal gebe es Spannungen, weil die Security-Leute sehr streng seien. Vier Männer der Firma WSD sind rund um die Uhr da. Sie haben die Vorgabe, zügig die Polizei anzurufen, wenn es Schwierigkeiten gibt.

„Bisher gab es in der Unterkunft in Deizisau keine strafbaren Handlungen“, sagt Polizeisprecher Michael Schaal. Insgesamt sei es in den Unterkünften im Kreis Esslingen in den vergangenen Tagen kaum zu Einsätzen gekommen. Ein paar Mal sei die Polizei „wegen Kleinigkeiten“ in Deizisau gewesen, berichtet Bürgermeister Matrohs. Gleich am ersten Wochenende haben die Bewohner laut gefeiert, auch vor dem Haus gelärmt. Zwei Mal wurde an der Tankstelle geklaut: eine Flasche Schnaps und einige Beutel Äpfel. Matrohs hat darauf unkonventionell reagiert: Er hat eine Kiste Äpfel gekauft und in die Unterkunft gestellt. Um eventuellen Ängsten der Bürger zu begegnen, hat er in der Schule ein Gespräch mit Elternvertretern geführt. Offensichtlich sehen die Eltern das Thema relativ gelassen. AWO-Mitarbeiterin Alexandra Mack ist zwei Mal in der Woche in der Unterkunft. Ihr seien keine Reibereien zu Ohren gekommen, sagt sie, während sie einem jungen Mann klar macht, dass er sein Geld morgen in Hochdorf abholen muss, weil er bei der Ausgabe in Deizisau nicht da war. „Mir gegenüber verhalten sie sich nicht anders. Klar, man muss Grenzen, muss einen respektvollen Ton einfordern, dann klappt das.“ Die Sozialarbeiterin ist auch in einer Nürtinger Sporthalle im Einsatz: „Da ist das Zusammenleben schwieriger. 20 Nationen leben unter einem Dach.“ Ein junger Security-Mann mischt sich ins Gespräch ein: „Die sind alle freundlich. Es kommt halt darauf an, wie man ihnen begegnet. Gegenseitiger Respekt ist wichtig.“

Fragt man die Flüchtlinge, wie es ihnen geht und warum sie ihre bisherigen Unterkünfte verlassen mussten, erhält man knappe Antworten. Er habe in der großen Halle nicht schlafen können, erzählt Muhammed aus Algerien: „Musik und Alkohol nach Mitternacht.“ In Deizisau sei es besser. „Keine Probleme“, antwortet sein Landsmann, auf die Frage nach den Gründen seiner Verlegung. Das Problem eines anderen Flüchtlings ist nicht übersehbar. Nachmittags um halb vier schwankt er durch den Gang. Alkohol, das bestätigen Security-Kräfte und Mitarbeiter des Landratsamtes, ist für die Männer ohne Beschäftigung in vielen Unterkünften das größte Problem. An diesem Abend wird die Polizei dann noch in die Unterkunft gerufen. Zwei Flüchtlinge sind aneinander geraten.

Hat sich für die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer etwas geändert? „Die Zeit ist noch zu kurz. Es kommen immer wieder neue Gesichter, und bis die Vertrauen zu uns gefasst haben, das braucht Zeit“, sagt Bettina Siegel. Wenn Helfer vorbeischauen, werde ihnen von den Männern immer Kaffee oder Tee angeboten, wie bisher auch. „Wir begegnen allen gleich und versuchen, ihnen im Alltag zu helfen.“ Das sind Arztbesuche oder die zunächst nicht funktionierende Auszahlung des Geldes, das ist auch die nicht funktionierende Satellitenschüssel. Dass nachts mal die Polizei vorbeischauen müsse, das habe es auch vorher gegeben, sagt Siegel, aber zu dieser Uhrzeit seien die Ehrenamtlichen nie da.

Für den Arbeitskreis Asyl bedeutet die neue Belegung der Unterkunft insofern eine Umstellung, weil sie jetzt an drei Standorten im Einsatz sind. Sie besuchen auch die bisherigen Bewohner, die nun in der Olga- und in der Schulstraße wohnen. Geplant sei, in der Zehntscheuer alle paar Wochen ein Café International zu organisieren, in dem sich Bürger und Flüchtlinge begegnen können. Wie gut das in der Vergangenheit geklappt hat, zeigt eine Geschichte, die Bettina Siegel erzählt. Ein afghanischer Flüchtling müsse nach zwei Jahren die Gemeinschaftsunterkunft verlassen. Ob er in der Anschlussunterbringung eine Wohnung in Deizisau findet, sei unklar. Er will aber unbedingt im Ort bleiben. Die Leute seien freundlich zu ihm, jetzt sei Deizisau seine Heimat.