Seit Montag müssen Schüler an weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg auch während des Unterrichts eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Während ein Schorndorfer Kinderarzt sich in einem offenen Brief ans Kultusministerium gegen die Maskenpflicht ausspricht und Eltern eine Petition auf Landesebene gestartet haben, ist in Kirchheim der große Aufschrei ausgeblieben. Bei aller Kritik gibt es viel Zustimmung für die neue Corona-Verordnung.
An der Kirchheimer Freihof-Realschule hat es in den ersten Tagen keine Probleme mit der Maskenpflicht im Unterricht gegeben. „Es lief alles reibungslos“, sagt Clemens Großmann, geschäftsführender Schulleiter in Kirchheim und Rektor der Freihof-Realschule. „Der Elternbeirat hat uns zurückgemeldet, dass die meisten Kinder keine Probleme haben.“ Schwindel und Kopfschmerzen seien an seiner Schule nicht häufiger aufgetreten als sonst. Die Reaktionen aus dem Kollegium seien sogar positiv: „Die Lehrer fühlen sich jetzt besser geschützt. Sie stehen ja immer an vorderster Front.“ Kritikern entgegnet er: „Es ist doch unser aller Ziel, die Schulen so lange wie möglich offen zu lassen. Dabei können die Masken helfen.“
Das sieht der Kirchheimer Kinder- und Jugendarzt Dr. Ulrich Kuhn genauso. „Ich halte die Maskenpflicht für äußerst wichtig“, betont er. Sie sei ein effektives Mittel, um die Pandemie einzudämmen. „Da sollte man ein kleines Unwohlsein, das durch das Tragen von Masken entstehen kann, nicht über den großen Nutzen stellen.“ Aus seiner Sicht reicht die Maskenpflicht nicht einmal weit genug. Dass sie gerade im Sportunterricht und beim Singen - wo Infizierte nachweislich besonders viele Viren ausstoßen - nicht gilt, kann er schwer nachvollziehen. „Eine solche Inkonsequenz fördert nicht gerade die Bereitschaft, Maske zu tragen“, glaubt er. Ließen sich Sport und Singen nicht mit den neuen Vorgaben vereinbaren, müsse man in Pandemiezeiten eben auf diese Fächer verzichten. „Wir sollten froh sein, wenn sonst durchgängig ein geregelter Unterricht stattfinden kann“, sagt er. Dass auch Kinder durch eine Maske etwas schwerer atmen können, sei verständlich. „Mir liegen aber keine Erkenntnisse vor, dass es zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen kommen kann“, so der Kinderarzt, der auch Vorstandsvorsitzender von „PädNetzS“, einer fachärztlichen Genossenschaft auf Landesebene, ist.
Aus Sicht des Esslinger Gesundheitsamts ist das Tragen von Masken vor allem für Lehrer sinnvoll. „Sie sollten aber unbedingt auf eine FFP2-Maske zurückgreifen“, sagt Andrea Wangner, Pressesprecherin des Landkreises Esslingen. Solch ein medizinischer Atemschutz filtert kleinste Partikel aus der Luft und schützt den Träger selbst. Dennoch haben auch Alltagsmasken ihre Wirkung: Wenn ein Schüler seine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt und dauerhaft getragen hat, kann das Gesundheitsamt ihn trotz Kontakt mit einem Infizierten von einer Kontaktperson der Kategorie I, also mit höherem Ansteckungsrisiko, zu einer Kontaktperson II mit geringerem Ansteckungsrisiko herabstufen. Entsprechend müssten weniger Kinder in Quarantäne geschickt werden. Der Pferdefuß laut Robert-Koch-Institut: „Wenn in einem Raum hochkonzentriert infektiöse Partikel schweben, schützen Alltagsmasken kaum vor Ansteckung“, heißt es bei den Leitlinien zur Kontaktnachverfolgung. Aus diesem Grund plädiert Kinderarzt Dr. Ulrich Kuhn dafür, Schüler ebenfalls entsprechend zu schützen. „Am erstrebenswertesten wäre es, dass auch sie FFP2-Masken tragen.“
„Die Eltern sind nicht begeistert von der Maskenpflicht, aber der Großteil findet sich damit ab“, fasst Annette Beck, Elternbeiratsvorsitzende des Kirchheimer Schlossgymnasiums, die Reaktionen der vergangenen Tage zusammen. „Viele finden es problematisch, dass die Schüler die Masken so extrem lange am Stück aufhaben müssen“, sagt sie und gibt zu bedenken: „Selbst ein Arzt kann mal die Maske abnehmen und sie wechseln.“ Ihr Wunsch: „Dass unsere Kinder zwischendurch eine Maskenpause haben dürfen.“ Die ermöglicht offenbar eine Nachbesserung der Verordnung, die heute in Kraft treten soll. Sie sieht vor, dass Schulen den Schülern erlauben können, in Pausen an der frischen Luft ohne Mund-Nasen-Bedeckung durchzuschnaufen. Auch bei Zwischen- und Abschlussprüfungen sollen Ausnahmen von der Maskenpflicht möglich sein.