Einheitsschuh war gestern – das Gleiche gilt auch für Sicherheitsschuhe. Seit 50 Jahren hat sich die Firma Sander Sicherheitsschuhe das Fußwohl der arbeitenden Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben. Geschäftsführer Niels Charbel lebt das Credo seiner Firma. Nicht zu bremsen ist er, wenn er von seinen Schuhen und damit von ihrem Nutzen für Träger und Trägerin erzählt. Sein Entwickler-Team und er geben dafür alles, laufen sich sprichwörtlich die Hacken solange ab, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, sprich: Wohlfühlen im Schuh.
Sander heißt die Firma im Andenken an die Oma von Niels Charbel. „Wir haben sie alle geliebt“, sagt er. Begonnen hat alles in Ötlingen, nach 15 Jahren ging’s in die Kirchheimer Hans-Böckler-Straße und seit 2012 lautet die Adresse Kelterstraße 69 in Dettingen. „Wir liefern unsere Schuhe nahezu ausschließlich an Händler. Barner in Owen hat eine Abteilung in seinem Laden, ansonsten ist bis Ulm leider nichts auf der Landkarte zu finden“, bedauert der leidenschaftliche Schuhhersteller. Im Lager von Sander Sicherheitsschuhe in der Kelterstraße gibt es eine Lagerverkaufsecke.
Schnell wird beim Gespräch deutlich: Selten ist Bekleidungs-Beratung wertvoller als beim Sicherheitsschuh. Tagaus, tagein stehen oder gehen die Menschen einen ganzen Werktag lang auf den Füßen. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig Wert sich die Menschen selbst sind – und keinen Wert auf Komfort und Sicherheit legen“, wundert sich der Geschäftsführer. Er sieht sich als „europäischer Standortverteidiger“, der so nah als möglich seine Schuhe produzieren lässt: Frankreich, Italien, Slowenien, Rumänien und Albanien. Dabei spielt auch die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, ebenso die Gesundheit der Kunden. „Unsere Schuhe werden keinem Sprühnebel ausgesetzt. Ohne diese chemische Behandlung würden Schuhe aus Fernost nur mit Grünspan in den europäischen Häfen ankommen. In den Containern ist es feucht und heiß und die Ware wird nicht auf Paletten gesetzt“, erklärt er, weshalb Pestizide eingesetzt werden, die lange brauchen, bis sie entwichen sind – und die Haut ist diesem Prozess trotz Socken ausgesetzt, denn die unterliegen dem gleichen Prozedere, wenn sie ebenfalls in den Billiglohnländern in Fernost produziert werden.
Sparco wurde speziell für die junge Kundschaft entwickelt. „Das ist ein Rennsportausrüster made in Italy aus dem Rallyebereich. Damit bedienen wir den Reiz“, erklärt er. Vor 20 Jahren gab es 20 Modelle, heute 200. Bei allen Marken gilt: Sander gibt in Auftrag, wie ein Schuh aussehen soll. „Fitclog ist der einzige Clog, der nicht in China hergestellt wird. Wenn in der Kantinenküche ein großer Topf runterfällt gibt es dafür den Zehenschutz“, so Niels Charbel. Überhaupt der Zehenschutz: Der ist heutzutage meist aus gespritztem Kunststoff und keine Stahlkappe mehr, denn die wird im Sommer sehr heiß, im Winter sehr kalt – und schneidet sich bei zu viel Druck in den Fuß. Kunststoff gibt nach, sprich, geht wieder nach oben und gibt den Fuß frei. Mehr als eine halbe Tonne halten sie jedoch nicht aus.
Neue Schnürsenkel entwickelt
Damit Straßenarbeiter in der Dunkelheit besser gesehen werden, wurden bunte Sohlen entwickelt, die leuchten. Gegenläufig gewirkte Schnürsenkel sind auch eine Spezialität von Sander. Man kann sie locker binden, ohne dass sich die Schlaufe löst. So haben die im Lauf eines Tages anschwellenden Füße genügend Raum. „Viele binden bei Arbeitsbeginn den Schuh locker. Üblicherweise gehen die Bendel auf und irgendwann stolpert man drüber“, zeigt der Geschäftsführer den Vorteil seiner Schnürsenkel auf. Schweißerschuhe haben gleich gar keine, dafür einen Schnellverschluss, damit sie innerhalb von sieben Sekunden ausgezogen werden können, sollte eine Glut an den Schuh geraten. „Das ist unser Panzer“, beschreibt Niels Charbel das Modell, das sieben Stunden Arbeit im Flussbett durchhält, wasserdicht bleibt und starke Sohlen hat, um scharfkantigem Müll standhalten zu können. Sie kommen beispielsweise bei Arbeiten in Schiffshebewerken, bei Wehr-Wartungen oder Kanalreinigungen zum Einsatz.
Die Ideen für Verbesserungen und Neuerungen entstehen bei Gesprächen mit den Nutzern, nicht selten auf Messen. „Durch ihre ,Eingabe‘ lernen wir. Einwände sich wichtig. Sie sagen uns im wahrsten Sinn des Worts, wo der Schuh drückt. Wir testen und plagen uns dann selbst, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden sind“, erzählt Niels Charbel. So wurde beispielsweise der Bademeisterschuh entwickelt: ein weißer Barfußschuh. Auch die Schnürsenkel sind auf diese Weise entstanden. „Zwei Paar Arbeitsschuhe ist das Minimum. Ich bin nebenbei noch die Verteidigung der Arbeitnehmerschaft, wenn ich die Betriebsleiter berate. Es geht um die Fuß- und Rückengesundheit ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dauerekzeme lassen sich vermeiden – Schuhberatung hat so gesehen auch eine soziale Komponente: Ich erinnere die Arbeitgeber an ihre Verantwortung“, sieht sich Niels Charbel als Überzeugungstäter.
Das Sortiment ist deutlich größer geworden
Zu den Marken, die die Dettinger Firma Sander produziert und vertreibt, zählen MTS, Sparco, Fitclog und die Eigenmarke Santos. „Wir setzen auf Optik, der Schuh soll auch gefallen – es sind Farb- und Materialspiele. Die Chinesen haben uns lange an der Nase herumgeführt, die haben tolle Designer“, zollt Niels Charbel der Konkurrenz Respekt.
Sander beliefert bewusst keine Discounthändler. „Unsere Partner beraten. Es gibt große und kleine Menschen, dicke und dünne. Dann gibt es Schreiner, Maler, Zimmerer, Straßenbauer und, und, und. Jeder hat seine eigenen Bedürfnisse“, verdeutlicht Niels Charbel, wie viel beachtet werden muss, um den richtigen Sicherheitsschuh für sich zu finden. Menschen, die im Lager arbeiten, gehen und stehen viel. Sie brauchen deshalb Schuhe mit einem gewissen Dämpfer. Bei Sander gibt es nur erste Wahl, alles andere kommt nicht in den verkaufsfertigen Schuhkarton. Zwischen 60 und 150 Euro kostet ein Paar. Die Damengrößen erstrecken sich von 35 bis 42, die Herren von 38 bis 48, Übergrößen von 49 bis 52 – der Rest ist Spezialanfertigung.
Den bisher größten Schuh fertigte eine Schuhmeisterei in Sachsen per Hand: Größe 56. „Unsere Saison geht 15 Jahre, denn unsere Kunden sind oft Männer. Wenn denen was passt, egal ob Hose oder Schuh, bleiben sie dabei“, stellt Niels Charbel diesen Grundsatz auch an sich selbst fest. Ein Modell gibt es sogar seit 23 Jahren. Da gilt: Never change a winning system.
Niels Charbel ist glücklich, mit AWK in Fellbach einen adäquaten Fachhändler gefunden zu haben. Auf nahezu 4000 Quadratmetern wird es dort ab Dezember 2022 persönliche Schutzartikel und damit auch Sicherheitsschuhe mit entsprechender Beratung geben. Die Idee ist schon 2018 entstanden und hat die Pandemie überstanden. „Das ist einmalig in Deutschland“, freut sich der Geschäftsführer. Damit werde eine Beratungsbrücke geboten, ähnlich eines Autohauses, das VW und Audi in einer Hand anbietet. ih