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Notzingens Orgel bekommt ihren Klang zurück

Musik Die historische Walcker-Orgel der Notzinger Jakobuskirche wird seit Oktober saniert und teilrestauriert. Das Projekt ist aufwändig. Von Katja Eisenhardt

Die Orgel der Notzinger Jakobuskirche stammt aus dem Jahr 1834 und ist eine Besonderheit in heutiger Zeit. Es handelt sich dabei um ein Werk des renommierten Orgelbauers Eberhard Friedrich Walcker (1794 – 1872), der wie noch sein Enkel Oscar Walcker (1869 – 1948) Hof-Orgelbaumeister unter König Wilhelm II. von Württemberg und Lieferant des Vatikans war. Das auf ihn zurückzuführende Orgelbauunternehmen in Ludwigsburg gehörte zeitweilig zu den größten und renommiertesten weltweit. „Eberhard Friedrich Walcker gilt als der bedeutendste deutsche Orgelbauer des 19. Jahrhunderts. Er hat den Orgelbau ein Stück weit revolutioniert, was die Technik und den Klang der Instrumente angeht“, erklärt der Ebersbacher Orgelbaumeister und Restaurator Gilbert Scharfe.

Im Januar soll alles fertig sein

Gemeinsam mit seinem im Familienbetrieb als Schreinermeister tätigen Sohn Leon Scharfe sowie Orgelbau-Azubi Johannes Oechsle ist Gilbert Scharfe seit Oktober mit der Sanierung und Teilrestaurierung der Notzinger Orgel beschäftigt. „Eigentlich wollten wir zwei Wochen vor Weihnachten fertig sein. Es stellte sich allerdings bei der detaillierten Begutachtung schnell heraus, dass es ein deutlich aufwändigeres Projekt ist als ursprünglich angenommen“, berichtet Gilbert Scharfe. Ende Januar sollen die Arbeiten abgeschlossen werden.

„Leider wurde die Orgel nicht in ihrem Originalzustand erhalten, so wäre sie eigentlich vollkommen und ein wahres Kleinod gewesen“, sagt Gilbert Scharfe. Stattdessen habe es an dem 190 Jahre alten Instrument um 1900, 1954, 1969 und 1984 notdürftige Sanierungen gegeben, die in Folge vor allem den Klang der Orgel veränderten. „Um 1900 wurde sie vom früheren Standort im Kirchenschiff nach oben transportiert. Aufgrund von Feuchtigkeitsschäden am Holz war eine erste Sanierung nötig. Im oberen Stock habe es an Höhe gefehlt, weshalb die Orgelpfeifen verkürzt wurden“, berichtet Gilbert Scharfe. 1954 habe man dann versucht, „den Klang der Orgel dem Zeitgeist entsprechend zu barockisieren, was nicht gelang. Ihr ursprünglicher Klang war für damalige Zeiten eigentlich außergewöhnlich vielschichtig. Das ging mit den Sanierungen verloren. Eines unserer Ziele ist es, das rückgängig zu machen.“ In den 60er-Jahren sei der im Originalzustand vorgelagerte Spieltisch in die Orgel selbst eingebaut worden, wodurch Raum verloren ging, was ebenfalls eine klangliche Veränderung mit sich brachte, nennt Scharfe Beispiele.

Mehr Klangkombinationen

Der Klang der Orgel soll wieder vielseitig werden, „soll die unterschiedlichen Stimmungslagen der Menschen in der Kirche, des Gesangs auffangen können. Ein Regis­ter entspricht bei einer Orgel einer Pfeifenreihe und entsprechend einer Klangfarbe. Hier stellen wir durch die Sanierung und Restaurierung wieder mehr Kombinationsmöglichkeiten her, was einen vollen Klang ergibt“, erklärt Gilbert Scharfe. Von den insgesamt 1217 Pfeifen, die die Experten einzeln kontrollierten, sei keine einzige ohne Schaden: „Das spiegelt den Aufwand unserer Arbeiten wider“, betont der Orgelbaumeister. Diese Dimension habe er so nicht erwartet: „Die alten Holzpfeifen hatten Risse und Wurmschäden, die Metallpfeifen waren oft verformt, hatten Löcher und Risse und Macken. Deren Klang wird dadurch undefiniert, charakterlos. Das beheben wir.“ Bei dieser zeitintensiven Detailarbeit sei ein großes Maß an Sensibilität gefragt.

Gilbert Scharfe übernahm das Ebersbacher Familienunternehmen 2008 von seinem Vater. Am Beruf des Orgelbauers habe ihn schon immer die Vielseitigkeit dieses alten Handwerks, die dazu zählenden ganz unterschiedlichen Disziplinen gereizt: „Das ist wirklich noch Handarbeit.“ Seit 2006 ist er zudem als Restaurator tätig und für Neubauten, Sanierungen und Restaurierungen regional im Einsatz. Ein besonderes Projekt sei für ihn etwa der Bau einer Orgel für die St. Leonhardskirche in Ebersbach-Bünzwangen, dem eigenen Wohnort und Sitz des Familienbetriebs, gewesen, erzählt Gilbert Scharfe, „bis heute finden dort regelmäßig Orgelkonzerte statt.“ Abgeschlossene Projekte begleiten den Orgelbauer oft über Jahrzehnte, denn die Wartung der Orgeln zählt ebenfalls zu seinen Aufgaben.

 

Fakten rund um die Sanierung der Walcker-Orgel

Kosten Die geschätzten Kosten für die Sanierung und Teilrestaurierung der Orgel liegen laut Pfarrer Luca Bähne bei 53 000
Euro: „Gut zwei Drittel davon sind bereits durch Spenden abgedeckt. Um den Rest finanzieren zu können, sind wir weiterhin auf Spenden angewiesen.“ In den Wochen ohne spielbare Orgel seien die Gottesdienste musikalisch mit dem E-Piano, der Gitarre
und dem Harmonium begleitet worden. „Als dann an Heiligabend zum ersten Mal wieder die Orgel mit ein paar schon einsetzbaren
Registern erklang, war das überwältigend. Der klangliche Unterschied zu vorher ist beeindruckend“, schildert Luca Bähne den bereits hörbaren Erfolg der aufwändigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten.

Konzert Die Orgel in der Notzinger Jakobuskirche wird im Rahmen eines Konzerts mit Bezirkskantor Ralf Sach am Samstag, 2. März, um 19 Uhr festlich wieder eingeweiht. Zu hören sein wird Orgelmusik aus der Erbauungszeit der Notzinger Walcker-Orgel. Der Eintritt ist frei, um Spenden zugunsten der Orgelsanierung wird gebeten.

Dokumentation Die Fortschritte kann man unter www.orgelbau-scharfe.de verfolgen. eis