Sie ist schuld an allem“, sagt Christian Waibel und deutet auf seine Nachbarin. Die schlüpft gerade aus der Haustür und schaut Waibel verdutzt entgegen. Der fügt hinzu: „Sie ist schuld an der Nudelmacherei.“ Die Verwirrtheit im Gesicht seiner Nachbarin weicht einem Lachen.
Seit 2004 wohnen Christian und Daniel Waibel im Herzen Linsenhofens. Wie in der Toskana sieht es dort nicht gerade aus. Auch die malerische Küste und das Quellwasser der Pasta-Hauptstadt Gragnano sucht man vergeblich. Immerhin plätschert vor der Haustür die Steinach vor sich hin. Für die Waibels war das jedoch kein Hindernis, dort eine Nudelmanufaktur entstehen zu lassen, nachdem ihre Nachbarin den Funken entzündet hatte. „Damals war sie noch unsere Vermieterin und ich bin eines Tages rübergegangen, weil uns die Nudeln ausgegangen waren“, erzählt Christian Waibel. „Ich hab nicht wirklich draufgeschaut, die Nudeln, die sie uns gegeben hat, hab ich gekocht und fand sie megalecker.“ So lecker, dass er fragte, wo er diese kaufen könne. „Nichts kaufen, selber gemacht“, habe die Nachbarin damals geantwortet und ihm ihre Maschine gezeigt.
Lebensmittekontrolleur gibt Rat
Waibel war fasziniert und legte sich ebenfalls eine zu. „Stundenlang bin ich drangehockt und habe geübt“, sagt Christian Waibel, deutet auf seinen Mann, lacht und fügt hinzu: „Er hat abgekotzt, weil es den ganzen Tag gebrummt hat.“
Zunächst beschränkte sich die Produktion auf den Freundeskreis. Zu Geburtstagen oder besonderen Festen produzierten sie besondere Teigwaren, kreierten Etiketten und verschenkten das Ergebnis. Über Mundpropaganda wurden Freundesfreunde zu Kunden und schließlich fragten auch deren Bekannte nach Nudeln. Irgendwann wurde den Waibels das Ganze jedoch zu heiß. „Da waren wir in einer Grauzone und ich hatte keine Lust, dass das Finanzamt anrückt“, sagt Waibel und grinst.
2013 riefen sie bei einem Lebensmittelkontrolleur an. Er sollte die Produktionsstätte unter ihrem Wohnzimmer inspizieren. „Das war quasi der Schritt in die Legalität“, sagt Waibel und lacht. Der Kontrolleur wurde in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Ratgeber. „Wir konnten eigentlich immer anrufen, wenn wir Fragen hatten“, sagt Waibel. Die beiden begannen zunächst, auf verschiedene Regionalmärkte zu gehen.
Mit den Jahren wurden auch die Nudeln immer ausgefallener. Bärlauch, Steinpilze, Zitrone und Ingwer sind nur einige der Zutaten, die sie in ihren Teig mischen. Doch auch die Zahl der Formen nahm zu. Unternehmen können sich bei den Waibels eine Matrize mit ihrem Firmenlogo bestellen. Die Form wird vorne in die Nudelmaschine eingelegt und der Teig durch sie gepresst. Im 17 Quadratmeter großen Produktionsraum der beiden hat sich mittlerweile ein ganzes Arsenal der bronzefarbenen Formen gesammelt.
Zwischen Pasta und Tetris
Daniel Waibel hievt eine Kiste auf einen Edelstahl-Tisch und zeigt ihren Inhalt. Unter anderem die Logos der Firma Fissler und der Gemeinde Frickenhausen haben sie schon in Nudeln verwandelt. Vor Kurzem kreierten sie Teigwaren in Wohnmobil-Form zur Einweihung des neuen Beurener Wohnmobil-Stellplatzes.
Der kleine Produktionsraum der Nudelmacher ist aufgeräumt, sauber, und doch wirkt er schnell beengend. Denn obwohl die Kundenzahl stetig wuchs, der Platz blieb gleich. „Manchmal ist es wie Tetris spielen hier unten“, sagt Christian Waibel. Mit dem neuen Automaten, den die Nudelmacher kürzlich aufstellten, dürfte die Nachfrage noch mal steigen. Kein Wunder, dass die Waibels gerade einen Anbau planen.
Besonders für die Trocknung und ein kleines Lager brauchen sie noch einigen zusätzlichen Platz. Irgendwo anders Fläche anzumieten, kommt für sie jedoch erst mal nicht infrage. Die Produktion soll weiter unter beziehungsweise neben ihrem Wohnhaus stattfinden.
„Kürzlich erst ist hier der Sensor ausgefallen“, sagt Christian Waibel gegen das monotone Summen der Trockenmaschine an, auf die er deutet. Daraufhin seien er und sein Mann alle paar Stunden aufgestanden und hätten die Teigwaren von Hand befächert. Unmöglich, wenn sie da noch mehrere Kilometer hätten fahren müssen. „Und außerdem sind wir ja noch ein kleines Unternehmen, da darf das intim bleiben“, sagt Waibel. „Tress werden wir so schnell nicht. Und das ist auch gut so“, fügt er an und lacht.