Kreis Esslingen. Seit Jahren steigen die Unfälle mit Senioren ab 65 Jahren leicht und fast gleichmäßig an. Dies entspreche der demografischen Entwicklung, sagt Andrea Kopp, Sprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen. Im Jahr 2014 gab es im Präsidium 2 133 Unfälle mit Senioren, 15 mehr als im Vorjahr. Es starben 13 Menschen, 181 wurden schwer, 575 leicht verletzt. Rund 62 Prozent dieser Unfälle wurden durch die Senioren verursacht.
Hauptursache war mit 27 Prozent das Nichtbeachten der Vorfahrt, gefolgt von Fehlern beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren mit 21 Prozent sowie Fehlern beim Überholen und mangelnde Verkehrstüchtigkeit mit jeweils 18 Prozent.
Zum Vergleich: Bei Unfällen mit jungen Erwachsenen von 18 bis 24 Jahren geht es ebenfalls bei etwa jedem vierten Unfall um die Vorfahrt, aber jeder fünfte Unfall geht auf das Konto der Geschwindigkeit. „Die Gruppe der über 65-Jährigen gerät zunehmend in den Fokus der Verkehrsprävention“, sagt Kopp. Das Angebot reiche von Vortragsveranstaltungen bis hin zu praktischen Übungen bei Aktionstagen.
Seit einem guten Jahr bieten gut 70 besonders geschulte Fahrschulen in Baden-Württemberg fast flächendeckend den „Fahr-Fitness-Check“ (FFC) an. Er wurde aber bisher nur von gut 200 Teilnehmern genutzt, zwei von drei waren Männer. Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg ist für den FFC eine Kooperation mit dem ADAC eingegangen. „Die Leute fragen nicht bei den Fahrschulen“, sagt Jochen Klima, Erster Vorsitzender des Fahrlehrerverbands, „denn sie haben Angst um ihren Führerschein.“
Das ist völlig unnötig. „Die Leute müssen null Angst um ihren Führerschein haben“, betont Klima. „Eine Meldung an die Behörde ist ausgeschlossen. Wir sind nicht die Polizei.“ Der FFC besteht aus einer Vorbesprechung und einer Feedback-Fahrt mit dem eigenen Fahrzeug des Kunden auf bekannten Strecken. Für Klima geht es darum, „Tipps zu geben, die Mobilität zu erhalten“. So könne der Fahrlehrer, der sich vor Ort auskenne, zu einer anderen Strecke raten.
Jochen Klima plädiert für ein abgestuftes Verhalten: „Da fährt einer nach Stuttgart lieber mit der S-Bahn, aber vor Ort zum Supermarkt und Friseur noch mit dem Auto.“ Manchmal bitten Kinder einen Fahrlehrer: „Sag mal meinem Vater, dass er nicht mehr fahren soll.“ In vielen Fällen gingen die Leute allerdings nach einem Check ganz beruhigt nach Hause. Auch zu Fahrschulen, die nicht den offiziellen Fahr-Fitness-Check anböten, könne der Kunde gehen: Warum nicht mit dem Fahrlehrer die Einparkhilfe ein paar Mal ausprobieren?
Im Vergleich zu Jugendlichen machten Ältere in der Unfallstatistik weniger Ärger, sagt Klima. „Aber sie holen auf.“ Vor allem bei Menschen ab 75 Jahren, die viele verschiedene Medikamente nehmen müssten, nehme die Unfallhäufigkeit zu. Klima ist trotzdem gegen Zwangsfahrprüfungen. „Aus Sicht des Verbands wäre es aber sinnvoll, alle paar Jahre einen Sehtest zu machen.“
Auf eine freiwillige Auffrischung setzt auch Fritz Lohr, Geschäftsführer der Kreisverkehrswacht Esslingen. „Die Leute sollen sich selber an der Nase packen. Die Verkehrswacht Neuffen-Teck bietet ein Sicherheitstraining für Senioren an.“ Er rät Älteren dazu, aufmerksam zu sein für das, was die Angehörigen sagen. „Sie fahren ja oft mit. Manche Leute können fast nicht mehr laufen, aber mit dem Auto geht es noch.“ Durch vernünftiges Verhalten könnten die Fahrer Zwangsmaßnahmen der Polizei und der Politik verhindern.
Ganz freiwillig geben jedes Jahr etwa zehn bis zwölf Senioren ihren Führerschein auf dem Landratsamt Esslingen ab. Eine Gegenleistung dafür gibt es nicht. Im Gegensatz zum Landkreis Ludwigsburg. Dort läuft seit 1. Oktober 2015 ein Pilotprojekt – es lockt ein kostenloses VVS-Senioren-Jahresticket fürs ganze Netz. Das Projekt läuft bis Ende 2017 und gilt für Senioren mit Wohnsitz im Landkreis Ludwigsburg, auch für solche, die bereits Zeitkartenkunden des VVS sind.
Und wer ohne Jahreskarte als Ex-Autofahrer ratlos vor dem Fahrkartenautomaten steht? Dem empfiehlt VVS-Sprecherin Pia Karge eine Automatenschulung. Eine solche bietet der VVS direkt bei Interessentengruppen, in seinen eigenen Räumen oder auch vor Ort am Automaten an. Bei diesen Schulungen gehe es oft, über die Automatenschulung hinaus, rund ums Thema Öffentlicher Nahverkehr.