Christa Schimpf wurde im Mai 2019 mit 73 Jahren zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt. Sie ist darüber hinaus vielfältig engagiert, etwa als Chorleiterin, Flötenlehrerin und Stadtführerin. Bei all ihrem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement fragt sie nie, was ihr Einsatz ihr einbringt. Die Wendlingerin legt einfach los und packt an.
Ihre zutiefst humanistische Einstellung, die Liebe zu Musik und Literatur und ihr Interesse an Geschichte und Politik verdankt die 78-Jährige ihren Eltern. Als Last betrachtet Christa Schimpf ihren Einsatz für andere keineswegs – Arbeitsbelastung und Zeitaufwand hin oder her. Es macht ihr Spaß, ihr Können, ihr Wissen und ihre Begeisterung in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Gern zitiert sie den bengalischen Philosophen und Dichter Tagore: „Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte, und siehe, die Pflicht war Freude.“
Ich war noch keine zehn Jahre alt, als mein Vater mir von Hans und Sophie Scholl erzählt hat.
Christa Schimpf darüber, wie ihr Elternhaus sie geprägt hat
Schon als Achtjährige wusste Christa Schimpf, dass sie Krankenschwester werden wollte, als Schülerin half sie in ihrer Freizeit im Nürtinger Krankenhaus aus, wo sie dann die Ausbildung zur Krankenschwester machte und später als Stationsschwester auf verschiedenen Stationen arbeitete. „Mir haben die Kinder so leidgetan, die nach einer Mandel-Operation eine Woche im Krankenhaus waren und vor Heimweh weinten. Damals durfte nur zweimal die Woche Besuch kommen“, erzählt sie. Christa Schimpf fasste sich ein Herz, sprach bei der Verwaltung vor und setzte eine tägliche Besuchszeit für die kleinen Patienten durch.
„Ich war noch keine zehn Jahre alt, als mein Vater mir von Hans und Sophie Scholl und ihrem Schicksal erzählt hat.“Christa Schimpf darüber, wie ihr Elternhaus sie geprägt hat
Voller Dankbarkeit erinnert sie sich an ihre Eltern, die ihr Flötenunterricht ermöglichten und ein Klavier kauften. Christa Schimpf sang im Kinderchor, in der Nürtinger Kantorei, und sie absolvierte eine private Gesangsausbildung. „Mit meinem Vater, der schon als junger Mann über Nacht erblindet war, haben wir am Karfreitag zuhause die Matthäuspassion und am Ostersamstag den ‚Faust‘ gehört. Und er hat mir aus Blindenschriftbüchern Gedichte vorgelesen.“
Liebevoll denkt sie daran zurück, wie ihr nicht-sehender Vater ihr sonntags bei Spaziergängen die Nürtinger Stadtgeschichte erklärt hat. Bis heute weiß sie es sehr zu schätzen, dass sie in einem politisch interessierten Elternhaus aufwachsen durfte, in dem viel diskutiert wurde: „Ich war noch keine zehn Jahre alt, als mein Vater mir von Hans und Sophie Scholl und ihrem Schicksal erzählt hat.“
All diese Interessen, die in ihrem Elternhaus geweckt wurden, sind für Christa Schimpf bis heute Herzensanliegen, die sie mit Leidenschaft weitergibt: Generationen von Kindern hat sie mit dem Singen vertraut gemacht, 40 Jahre lang einen Wendlinger Kinderchor geleitet, freitags zum Schulchor eingeladen, sie hat Laternenumzüge und Weihnachtsfeiern organisiert und Aufführungen wie „Der kleine Prinz“ oder „Guck‘ mal übern Tellerrand. Wie Kinder in anderen Ländern leben“ inszeniert.
Im Verbandsrat evangelische Kirchenmusik Württemberg hat sie sich für die musikalische Bildung von Kindern stark gemacht, sie singt mit jungen Müttern und unterrichtet bis heute drei Tage in der Woche Erstklässler in einer Flöten-AG: „Das ist so ein tolles Erlebnis, wenn die Kinder dann irgendwann ‚Backe Backe Kuchen‘ spielen können.“
30 Jahre lang war Christa Schimpf Kirchengemeinderätin, sie engagiert sich in der Arbeitsgruppe „Stolpersteine“ des Bürgervereins gegen das Vergessen, und seit 2019 sitzt sie für die SPD im Wendlinger Gemeinderat: „Das ist viel Arbeit, das fordert mich, und es wird gefühlt immer mehr. Aber ich möchte, dass Wendlingen eine lebens- und liebenswerte Stadt ist und bleibt.“ Als ausgebildete Stadtführerin bietet sie Spaziergänge in Nürtingen und Wendlingen an, auf die sie sich akribisch vorbereitet, um mit ihren Erzählungen die Stadtgeschichte lebendig zu halten.
Fragt man Christa Schimpf nach ihrer Kraftquelle, muss sie nicht lange überlegen: „In allem, was ich tue, sehe ich den Sinn. Und es macht mir einfach Freude, etwas zu bewegen, etwas weiterzugeben und Menschen mit meiner Begeisterung anzustecken. Ich bin nicht der Typ, der stundenlang das Haus aufräumt oder im Keller herumkruschtelt“, erzählt sie strahlend. Sie sei noch immer neugierig, wie ihre Mutter: „Sie ist über 90 Jahre alt geworden und sagte immer: ‚Älter werde ich später, doch niemals lerne ich aus.‘“
Wenn Christa Schimpf dann doch einmal ein paar Mußestunden hat, zieht sie sich in ihr verwunschenes Wendlinger Gärtchen zurück, schmökert in ihrem Bücherzimmer oder blättert in ihrer Gesangbuchsammlung und hört Musik. Ihr Flötenlehrer schrieb ihr einst ins Poesiealbum: „All Morgen ist ganz frisch und neu!“ Dieses vertonte Gebet um das Licht im menschlichen Leben und Handeln liest sich wie ein Lebensgrundsatz für Christa Schimpf. „Außerdem passt es zu mir als Frühaufsteherin: Ich bin jeden Morgen ab fünf Uhr auf und genieße die Ruhe des neuen Tages.“
Gesang als Herzensanliegen
Kirchenmusik: Bei der Nürtinger Kantorei hat Christa Schimpf ihren späteren Ehemann, den Kirchenmusiker und Organisten Walter Schimpf, kennengelernt: „Das Leben mit einem Musiker ist spannend. Und wir sind uns immer gegenseitig Stütze. Es war und ist für mich eine große Erfüllung, mich in der Kulturarbeit einzubringen, mit Menschen umzugehen und sie über lange Jahre zu begleiten. Es rührt mich, wenn heute Kinder zum Singen zu mir kommen, deren Mamas schon bei mir im Chor waren.“
Das Singen: „Singend kann man sich – auch ohne Worte – verständigen. Kinder blühen beim gemeinsamen Singen auf, sie lernen viel, sie haben Freude am Miteinander. Ein singendes Kind ist wie eine sprudelnde Quelle“, betont Christa Schimpf. Singen mache die Kinder stark: „Sie werden sich ihrer Stimme bewusst. Das gibt Selbstbewusstsein. Und das Singen als wertvolles Kulturgut ist auch eine Art Klebstoff zwischen den Generationen: Großeltern, Eltern und Kinder singen das gleiche Repertoire. Das verbindet.“
Das Sprechen: Dass viele Kinder und Jugendliche heute viel zu viel Zeit am Handy, Tablet oder vor dem Fernseher verbringen und sich bloß berieseln lassen, sieht Christa Schimpf mit großer Sorge: „Erzieherinnen und Lehrerinnen erzählen mir, dass Kinder nicht mehr gut, richtig und deutlich sprechen können. In der Familie wird viel zu wenig mit den Kindern gesprochen. Auch da können sie vom Singen profitieren: Sie lernen ihre Stimme kennen, sie erfahren Rhythmus, sie reimen und bilden eine klare Aussprache aus.“