Hans Prell, stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender der Unabhängigen Kommunalen Wählervereinigung (UKW) im Notzinger Gemeinderat, kann den Rückzieher des Rathauschefs immer noch nicht fassen. „So etwas macht mich sprachlos!“ Es geht ihm vor allem um die Begründung, die Sven Haumacher auf seiner Webseite und im Teckboten anführte. Da ging es um die Drogenproblematik in der Vaihinger Innenstadt, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten wegen wegfallender Gewerbesteuern und auch um den hohen Ausländeranteil, der für manche Probleme sorge. „Die 41 Prozent und mehr, die ihm die Stimme gegeben haben, fühlen sich doch nicht ernst genommen. Das führt zur Politikverdrossenheit“, sagt Hans Prell. Für ihn ist es ein Zeichen fehlenden Demokratieverständnisses des Bürgermeisters. Die „Ausländerproblematik“ als Grund zu nennen, sieht er auch als Problem für die weitere Amtszeit in Notzingen: „Was soll ein Bürger mit Migrationshintergrund denken, wenn er so etwas liest?“
Zwischen Schock und Überraschung liegen die Reaktionen im Notzinger Gemeinderat, seit Sven Haumacher als Sieger des ersten Durchgangs bei der Wahl zum Vaihinger Oberbürgermeister Anfang der Woche überraschend seinen Rückzug bekannt gegeben hat. Vor allem in der Großen Kreisstadt kochen die Emotionen hoch, auf sozialen Netzwerken ärgert man sich, „durch den Kakao gezogen zu werden“, es sind Worte wie „arrogant, überheblich und weltfremd“ zu lesen.
Etwas gelassener sieht es Helmut Langguth von der SPD-Fraktion im Gemeinderat: „Er wird seine Gründe haben, die Kinder gehen hier in den Kindergarten, er möchte hier bauen.“ Langguth hat bereits wieder Kontakt zum abwanderungswilligen Schultes gehabt. „Wir haben ihn seit Wochen nicht gesehen. Aber gestern hatten wir die Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt und die verlief erstaunlich normal. Er hat sich sehr gut angepasst und ist jetzt vielleicht dankbarer, hierzubleiben.“
„Der Rückzug von Herrn Haumacher ist für mich sehr überraschend und unerwartet gewesen“, sagt Alfred Bidlingmaier, Fraktionschef der CDU im Notzinger Gemeinderat. „Für einen Politiker und auch für einen Sportler ist es üblich, einen zweiten Versuch zu wagen. Die örtlichen Verhältnisse und die Probleme der Stadt Vaihingen hinsichtlich Struktur, Finanzen und Personalsituation waren gerade ihm bekannt. Er und seine Eltern kommen aus dem benachbarten Markgröningen. Letztendlich sind die Probleme in Vaihingen nicht anders als in einer vergleichbaren Stadtgesellschaft mit ländlichem Umfeld“, sagt Bidlingmaier und greift einige Argumente Haumachers auf. „Mündige, interessierte und diskussionswillige Bürger sind in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit und wünschenswert.
Enttäuscht und allein gelassen
Dass es weitere Kandidaten gibt, die teilweise mit ,amerikanischen Wahlwerbemethoden’ und großem Social-Media-Aufwand zum Wählerfang schreiten, ist keine Neuerscheinung“, meint er. Insbesondere die vielen Wähler von Herrn Haumacher seien enttäuscht und fühlten sich allein gelassen. Der CDU-Politiker schaut lieber in die Zukunft: „Wenn nun Herr Haumacher zurückkommt, werden wir wie bisher auf sachlicher Basis mit ihm zusammenarbeiten. Kommunalpolitik funktioniert nur erfolgreich im Zusammenspiel und auf Augenhöhe der drei Säulen: Bürgermeister, Gemeinderat und Gemeindeverwaltung. Dieses notwendige gemeinsame Miteinander zum Wohl der Gemeinde und ihrer Bürger gilt für Notzingen wie auch für Vaihingen an der Enz.“
Unbelastet war das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat ohnehin nicht. So war schon die Begründung Haumachers für die Kandidatur in der Großen Kreisstadt einigen übel aufgestoßen. „Zu sagen, dass man als Volljurist für die Aufgabe in Notzingen eigentlich überqualifiziert ist, auch im Hinblick auf die anderen Mitarbeiter – da fehlt mir die Bodenhaftung“, sagt Hans Prell, der ebenfalls Jurist ist.
Beim Miteinander sieht auch Helmut Langguth noch Luft nach oben: „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass man einen etwas besseren Umgang zusammen pflegt. Als Rathauschef hat er den Ratsmitgliedern manchmal das Gefühl gegeben, ihnen überlegen zu sein.“ Dennoch müsse man auch die guten Dinge festhalten. „Die Gemeinde steht gut da, der Bürgermeister hat ja gute Arbeit geleistet.“
Formal wird es wie gewohnt weitergehen, aber zur Tagesordnung übergehen will zumindest Hans Prell nicht. „Das Ansehen des Bürgermeisters in der Gemeinde hat gelitten, ein ,Weiter so’ kann es nicht geben“, sagt er. Eine Absprache mit den anderen 13 Gemeinderatsmitgliedern habe es aber noch nicht gegeben. So viel steht jetzt schon fest: Nach der ersten Sprachlosigkeit nach dem Paukenschlag in Vaihingen wird es in der Gemeinde am Bodenbach in den nächsten Wochen auf jeden Fall noch reichlich Gesprächsbedarf geben.