Weilheim · Lenningen · Umland
Ohne Auto durchs Tiefenbachtal

Aktion Bei schönstem Wetter war auf der Strecke zwischen Nürtingen und Beuren am Sonntag einiges los. Das Thema Nachhaltigkeit prägte die Veranstaltung. Von Juliane Kunz

Um 10.30 Uhr eröffnete Pastoralreferent Christian Slunitschek von der katholischen Kirchengemeinde St. Johannes Evangelist den Gottesdienst unter blauem Himmel, inmitten der Baumschule im Tiefenbachtal. Die aufgestellten Bänke reichten für die zahlreichen Gottesdienstbesucher nicht aus. Decken wurden auf die Wiese vor dem provisorisch aufgestellten Altar gelegt. Mittelpunkt der Veranstaltung waren Gedanken rund um das Thema Nachhaltigkeit, Klimaschutz und fairer Handel und bildeten damit die Grundlage für den weiteren Verlauf des Vormittags, der dem 25-jährigen Bestehen des Nürtinger Weltladens gewidmet war. In den 1970er- und 1980er-Jahren entstand die Idee zu den Weltläden aus zahlreichen Initiativen kirchlicher Gruppierungen, weshalb sich die Kirche bis heute unterstützend zeigt. Der Nürtinger Weltladen spaltete sich im Laufe seines Daseins von der Kirche ab, um näher an die Bürger der Stadt zu rücken.

Vom Weltladen ins Welthaus

Im Nachgang veranstaltete der Nürtinger Weltladen anlässlich seines 25-jährigen Bestehens eine Gesprächsrunde mit Mitgliedern aller im Gemeinderat vertretenen Nürtinger Fraktionen sowie Oberbürgermeister Johannes Fridrich, der aus den Zuschauerrängen die Rolle der Stadt vertrat. Im Fokus der Diskussion stand der Wandel des Weltladens in ein Welthaus im Zentrum der Stadt. Der Erwerb der Immobilie in der Kirchstraße wurde dank etwa 300 Nürtinger Bürgern möglich. Die Renovierung und Instandsetzung wird voraussichtlich ebenso viel monetäre Mittel in Anspruch nehmen. Ein Kraftakt, bei dem sich die Bürger-Genossenschaft Nürtingen Unterstützung von der Stadt wünscht.

Doch auch der bisherige Einsatz der Stadt in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz standen auf dem Prüfstand. Während den meisten Gesprächsrundenteilnehmern die Rolle der Stadt zu passiv war, verteidigte der Oberbürgermeister die bisherigen Leistungen und Errungenschaften der Stadt – wenn diese auch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hätten. „In einem sind wir uns einig“, fasst Michael Brodbeck von den Freien Wählern zusammen. „Ums Wollen geht’s nicht, es geht ums Tun.“ Um wiederum ins Tun zu kommen, bedürfe es Richtlinien von der Stadt, verlangte Renate Kostrewa von der Nürtinger Liste/Die Grünen. Preisauszeichnungen als recyclingpapierfreundliche Kommune, ein Lob vom ADFC für die Fortschritte in Bezug auf die Fahrradfreundlichkeit der Stadt und die Zertifizierung zur Fairtrade-Stadt seien nur ein Anfang, meinte sie. Oberbürgermeister Fridrich stimmte dem zu. Er träume von einer Nachhaltigkeitsstraße in der Innenstadt – mit Einzelhandelsgeschäften à la Weltladen und Secontique und weiteren Angeboten wie Holzspielzeug und mehr.

Stadtradeln-Sieger geehrt

Dass Nürtingen auf der Nachhaltigkeitsstraße zurzeit auf der Überholspur im Landkreis fährt, unterstrich die Siegerehrung im Rahmen des Stadtradelns. Mit 308 544 Kilometern und 1306 Teilnehmern stellte die Stadt einen neuen Nürtinger Rekord auf und erradelte sich erneut Platz eins im Landkreis Esslingen. „Die anderen Städte haben ordentlich zugelegt, wir aber auch“, verkündete Stephan Maul, Fahrradbeauftragter der Stadt Nürtingen vor der Preisverleihung. Im Baden-Württemberg-Vergleich belegte Nürtingen bei den Kommunen mit einer Einwohnerzahl zwischen 10 000 und 49 999 Einwohner den dritten Rang, deutschlandweit den zehnten Rang. Das Durchschnittsalter der Radelnden lag bei 40 Jahren. Genau an diesem Punkt sieht die Stadt weiteres Potenzial: Die Schulen sollen noch mehr aufs Rad beziehungsweise in die Aktion geholt werden. Dafür wurde bereits in diesem Jahr ein Preis von 500 Euro für die Klassengemeinschaft mit den meisten erradelten Kilometern ausgerufen. In diesem Jahr ging das Preisgeld an die Klasse 6c des Hölderlin-Gymnasiums mit 3681,4 erradelten Kilometern.

Die Strecke war gut besucht

Dass Nürtingen mehr und mehr zur Fahrradstadt wird, unterstrich der Nachmittag im Tiefenbachtal. Bei schönstem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen waren die Besuchenden zwiegespalten: Einerseits freute man sich über die zusätzlichen Sonnenstunden im September, andererseits erinnerten sie recht eindrücklich an die Klimaveränderungen bei uns und überall auf der Welt.

Der strahlende Sonnenschein lockte zahlreiche Familien. Die Jüngsten wagten ihre ersten Meter auf ihren Lauf- oder Fahrrädern, die Eltern probierten sich beim Inlineskaten oder ließen sich in einer Rikscha chauffieren. Die älteste Generation kam mit Rollator oder Rollstuhl. Für alle hatte es genügend Platz auf der ansonsten viel befahrenen Tiefenbachstraße. Nur am Essen mangelte es gegen 15 Uhr. Sowohl die Schupfnudeln bei den Pfadfindern wie auch die Roten Würste vom KJG waren ausverkauft. Da galt es, auf Apfelküchlein und Waffeln umzusteigen.

Wo normalerweise Autos fahren, konnten sich am Sonntag die Radler austoben. Foto: Juliane Kunz

Michael Medla von der Aktion Mobil ohne Auto zeigte sich zufrieden mit dem Besucherandrang: „Die Tiefenbachstraße war hervorragend besucht, das Wetter war fast einen Tick zu warm und es gab bestimmt den ein oder anderen Sonnenbrand, aber das zeigt ja nur, wie gut die Strecke angenommen wurde.“ Im Gegensatz zu vergangenen Jahren hatte man diesmal die Aktionsstände im ersten Drittel der Strecke belassen. „Dadurch konnte man sich entweder dort aufhalten, wo mehr geboten war, oder auf dem Rest der Strecke auch mal beschleunigen“, sagte Medla. Er selbst lief die Strecke gemeinsam mit Parteikollege Nils Schmid zu Fuß ab. Auch die Malteser zogen eine positive Bilanz: Es gab lediglich einen wetterbedingten Einsatz.