Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral sein. Der schnelle Ausbau von Photovoltaik spielt dabei eine wichtige Rolle. Soll die Energiewende gelingen, braucht es mehr Sonnenstrom. Konkret werden bis dahin 47 000 Megawatt (MW) installierter Leistung benötigt – davon ist man derzeit jedoch mit knapp 7000 MW noch weit entfernt. Auch im Kreis Esslingen, räumt Magnus Schulz-Mönninghoff von der hiesigen Klimaschutzagentur ein, habe man beim Thema Photovoltaik „noch einiges aufzuholen“.
Um das Ziel zu erreichen, müssten im Südwesten bis zum Jahr 2040 jährlich mindestens 2000 Megawatt an Photovoltaikleistung hinzukommen, erläutert Schulz-Mönninghoff mit Verweis auf das „Solar Cluster Baden-Württemberg“. Demnach ist die installierte Leistung 2022 lediglich um rund 800 Megawatt gestiegen. In diesem Jahr sieht es dem Branchenverband zufolge besser aus. Der Vorjahreswert wurde bereits erreicht, am Ende könnte die zusätzliche Leistung doppelt so hoch ausfallen. Als Grund für den boomenden Solarstromausbau werden die rechtlichen Änderungen auf Bundes- und Landesebene genannt: Privatleute und Firmen müssten weniger Hürden überwinden und hätten zusätzlich Anreize, um eine Photovoltaikanlage zu errichten.
„2000 Megawatt Leistung pro Jahr zusätzlich ist natürlich eine große Menge“, betont Schulz-Mönninghoff. Um diesen Wert zu erreichen, müssten rein rechnerisch landesweit täglich 170 kleine Photovoltaikanlagen (je zehn KW) auf Privathäusern und acht größere (je 300 KW) auf Industriedächern errichtet werden, zudem jede Woche zwei Solarparks mit jeweils fünf MW ans Netz gehen.
Auch die auf den Kreis Esslingen heruntergebrochenen Zahlen verdeutlichen die Dimension eindrucksvoll: Hier sind laut Schulz-Mönninghoff acht Photovoltaikanlagen auf Privathäusern pro Tag erforderlich, jede Woche müsste eine weitere auf einem Gewerbegebäude installiert werden, und zudem müssten zwei große Solarparks jährlich ans Netz gehen. „Das wären dann 55 MW zusätzliche Leistung pro Jahr.“
Tempo nimmt deutlich zu
Die Klimaschutzagentur des Landkreises hat daher eine breit angelegte Photovoltaikkampagne gestartet, berichtet der Experte. Viele Kommunen hätten auch schon ihr Solarstrompotenzial analysiert und beschäftigten sich intensiv mit der Umsetzung von Projekten. Erste Erfolge stellen sich ein, teilt Schulz-Mönninghoff mit: Allein in diesem Jahr sind rund 26 MW zusätzliche Photovoltaikleistung hinzugekommen. „Das Ziel ist also durchaus erreichbar, und das Tempo nimmt deutlich zu.“
Verstärkt rücken dabei Freiflächen-PV-Anlagen in den Fokus. Ohne die riesigen Solarparks in der Landschaft werde es nicht gehen, ist der Experte überzeugt. Die Krux: Für die Projektierer seien nur Anlagen im Bereich von fünf bis zehn Megawatt Leistung interessant. „Hierfür entsprechende verfügbare Flächen zu identifizieren wird die große Herausforderung bei uns im Landkreis.“ Dennoch beschäftigt man sich in den Rathäusern ernsthaft mit dem Thema – und schaut sich vorbildhafte Anlagen an. Zum Beispiel jene auf der Erddeponie in Plochingen, eine der größten im Kreis Esslingen.
Auf 2,4 Hektar stillgelegter Fläche hat der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) bereits im Jahr 2012 eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit 6144 Solarmodulen samt etlichen Wechselrichtern, zwei Trafohäuschen und einer Übergabestation errichtet. Sie liefert jährlich um die 1,5 Millionen Kilowattstunden Solarstrom, das reicht für etwa 380 Haushalte, erzählt Ingenieur Gerald Damsch, während er eine Gruppe von Bürgermeistern, Stadtplanern, Baurechtsexperten und Wirtschaftsfördern aus der Region über das umzäunte Areal im Südwesten der Deponie führt. Die Schafe, die im Auftrag des AWB unter den parallel angeordneten Montagegestellen den Bewuchs kurz halten, grasen derweil unbeeindruckt weiter.
Bau in Rekordzeit
Von der Planung bis zur Realisierung, berichtet Damsch stolz, habe es gerade mal ein Jahr gebraucht. Denn ein Bebauungsplan sei nicht nötig gewesen. Zudem habe die evangelische Kirchengemeinde einen Großteil ihrer Fläche für das Projekt zur Verfügung gestellt – und kassiere seither Pacht. Den Ökostrom speise der AWB ins Netz und erhalte dafür vom Versorger Netze BW 13 Cent pro Kilowattstunde. Genehmigt sei die Anlage für 21 Jahre. Ob die Module danach abgebaut werden müssten, sei derzeit offen. „Wir rechnen aber mit dem Fortbestand.“
Rund 2,4 Millionen Euro hat die PV-Anlage damals gekostet. Heute wäre sie laut Damsch preiswerter zu errichten. Denn die Solarmodule seien längst nicht mehr so teuer wie früher. Zudem würden moderne Paneele deutlich mehr Leistung bringen als jene auf der Deponie verbauten. Aber die, sagt Ramsch, seien noch „in einem super Zustand“.
Photovoltaikanlagen des Landkreises Esslingen
AWB Der Abfallwirtschaftsbetrieb hat im Jahr 2006 mit dem Bau und Betrieb einer Photovoltaikanlage auf den Hallendächern des Kompostwerkes in Kirchheim Neuland beschritten. Inzwischen hat er vier Anlagen am Netz, die im vergangenen Jahr insgesamt rund 2,4 Millionen Kilowattstunden Strom produziert haben – das entspricht etwa dem Bedarf von 730 Zwei-Personen-Haushalten. Die Stromgewinnung spült damit ordentlich Geld in die Kasse: 2022 wurden gut 590 300 Euro erlöst.
Kreisgebäude Vorrangig auf den Dächern von Schulen, aber auch auf den Verwaltungsgebäuden in Nürtingen und Esslingen wurden in den vergangenen Jahren Solarmodule installiert. Die neun Photovoltaikanlagen, die im Energiebericht 2021 ausgewiesen sind, erzeugten im Jahr 2020 mehr als 285 600 Kilowattstunden Ökostrom. Der Kreis hat damit mehr als 110 000 Euro Einspeisevergütung kassiert. Hinzugekommen ist inzwischen eine Solaranlage auf dem Neubau des Verwaltungsgebäudes in Plochingen. eh