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Ohne Zuwanderung geht es nicht

Diskussion Zwei Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid und Lars Castellucci, stellen sich im Alten Gemeindehaus in Kirchheim dem Gespräch über Fachkräftemangel und Arbeitsmigration. Von Andreas Volz

Fachkräftemangel durch Zuwanderung kompensieren - das klingt nach einer Formel, die so unkompliziert wie erfolgreich sein könnte. Aber ganz so einfach ist es nicht. Offen und ehrlich berichtet Lars Castellucci, Sprecher für Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion, über Stolperfallen, die es dabei zu beachten gilt. Sein wichtigstes Credo: „Wir wollen alle mitnehmen, die in unserem Land leben, und wir wollen für alle ein gutes Zusammenleben gestalten.“

Dafür brauche es vernünftige Regeln. Doch genüge es nicht, diese Regeln nur aufzustellen. Es gehe auch darum, ihre Einhaltung zu kontrollieren und zu garantieren: „Die Rechtsstaatlichkeit muss für alle gelten - nicht nur für denjenigen, der eine rote Ampel übersieht und deshalb zur Kasse gebeten wird.“ Daraus leitet Lars Castellucci Konsequenzen ab, mit denen nicht alle Zuhörer einverstanden sind, die sich zur Veranstaltung aus der Reihe „Fraktion vor Ort“ im Alten Gemeindehaus in Kirchheim eingefunden haben: „Ich bitte um Verständnis dafür, dass ein Argument nicht von der Hand zu weisen ist: Wenn wir einfach sagen, alle können bleiben, dann werden wir zu einem noch größeren Anziehungspunkt.“ Deswegen müssten Abschiebungen auch durchgesetzt werden, „und wenn es uns im Einzelfall noch so schwerfallen mag.“ Auch das habe mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.

Lars Castellucci ist aber alles andere als ein Hardliner, der nur Recht und Ordnung durchsetzen will. Er ist davon überzeugt, dass es ohne Zuwanderung nicht geht: „Bis 2060 ist ein Drittel derjenigen, die jetzt noch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, gar nicht mehr da.“ Nicht mehr da sind sie aber nur auf dem Arbeitsmarkt. Als Rentner sind sie jedoch darauf angewiesen, dass noch jemand in die Sozialkassen einzahlt, aus denen sie ihr Geld beziehen.

Diese vielen Menschen kann Deutschland nur durch Zuwanderung bekommen. Aber auch da sieht Lars Castellucci die Kehrseite der Medaille: „In östlichen EU-Ländern fehlt jetzt schon eine ganze Generation, die nach Westen abgewandert ist. Die müssen das also selbst auch durch Migranten auffangen. Da kommt dann ein zusätzliches Problem hinzu: Diesen Ländern fehlt jegliche Erfahrung mit der Zuwanderung.“

Bedarf in sozialen Berufen

Eine weitere Schwierigkeit sieht der Politiker, wenn es darum geht, den Zuwanderungsbedarf in Deutschland zu erklären, angesichts von immer noch 2,34 Millionen Arbeitslosen und von 3,2 Millionen Menschen, die nur befristete Beschäftigungen haben. Das erklärt er unter anderem damit, dass es sich nicht nur um Fachkräfte dreht, sondern auch um angelernte Arbeitskräfte - im Handwerk oder in sozialen Berufen.

Um soziale Berufe ging es auch in einer konkreten Nachfrage: Männer aus Gambia, die eine Ausbildung in der Pflege machen, erhalten keinen Pass. Deswegen droht ihnen die Abschiebung, weil man ihnen mangelnde Mitwirkungsbereitschaft beim Identitätsnachweis vorwirft. Von ähnlichen Fällen weiß auch SPD-Stadträtin Marianne Gmelin aus ihrer Arbeit im AK Asyl zu berichten.

Bettina Schmauder, Vizepräsidentin des BDS Baden-Württemberg, macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam, wenn Flüchtlinge, die in Arbeit sind, zur Ausreise aufgefordert werden: „Wer einen festen Arbeitsplatz hat, kann leichter abgeschoben werden - weil die Behörde weiß, wo sie ihn antreffen kann.“

In solchen Fällen ist es kaum zu erklären, dass einerseits ein Gesetz die Migration von Fachkräften voranbringen soll, dass aber andererseits gut integrierte Arbeitskräfte vom Arbeitsplatz weg ausgewiesen werden. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellt deshalb in seinem Fazit drei wichtige Forderungen auf: „Wir brauchen schnellere Asylverfahren, eine bundesweit einheitliche Handhabung der Gesetzesauslegung - und wir brauchen Visa-Stellen, die schneller entscheiden, am besten eine Behörde auf Bundesebene.“