Entsorgung
Online-Welt für die Tonne

Stillstand bei der Digitalisierung in Behörden und Ämtern? Es geht auch anders: Der Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb gilt mit seinem Bürgerservice inzwischen landesweit als Vorbild.

Alles auf einen Blick: Mit der AWB-App lässt sich bequem durch den Service-Dschungel navigieren.  Foto: Bernd Köble

Michael Potthast ist Kummer gewöhnt. Wann immer es Probleme mit der Müllabfuhr gibt, laufen bei ihm und seinem Team die Drähte heiß. Der Chef im Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb und seine Mannschaft haben einen heißen Herbst und Winter hinter sich. Die Umstellung auf digitale Bürgerdienste mit der Abschaffung des gedruckten Müllkalenders und die turnusgemäße Neuberechnung der Müllgebühren für die nächsten Jahre wären eigentlich Herausforderung genug gewesen. Weil seit Januar ein neues Unternehmen für die Abfuhr der gelben Säcke und Tonnen im Kreis zuständig ist und bei der Umstellung so manches nicht funktioniert hat, war der AWB zusätzlich gefordert. Zwar ist der Kreis für Verpackungsmüll gar nicht zuständig, doch wem nach Pannen der Kragen platzt, der greift trotzdem zum Hörer und wendet sich in aller Regel an die Esslinger Kunden-Hotline. Mehr als 100 Anrufe täglich haben die Kundenberater so im vergangenen Jahr im Schnitt entgegengenommen.

Zurückgelassen wird niemand.

Michael Potthast, Chef im Abfallwirtschaftsbetrieb, über Abfuhrpläne, die es weiterhin auch in Papierform gibt.

Da geht Lob schon mal runter wie Öl. Davon gab es von politischer Seite reichlich bei der Vorstellung des jährlichen Tätigkeitsberichts im zuständigen Ausschuss des Kreistags. Der Hauptgrund: Der AWB gilt in Sachen Digitalisierung landesweit als Vorbild. Mehr als 35.000 Müllkunden haben sich bis zum Jahreswechsel über das digitale Bürgerportal mein.awb-es.de registriert. Das sind 22 Prozent der Gesamthaushalte, die Müllgebühren bezahlen. Jeder Dritte hat sich zumindest schon mit dem Angebot beschäftigt. 110.000 nutzen inzwischen die Abfall-App auf ihrem Smartphone oder Tablet. Das sind Zahlen, die dem dichtbesiedelten Landkreis Esslingen mit seinen knapp 537.000 Bewohnern in Baden-Württemberg einen Spitzenplatz bescheren.

Wenn Digitalisierung reibungslos läuft, bedeutet das: weniger Aufwand für Kunden und Dienstleister, mehr Komfort, schnellerer Service. Müllbehälter umtauschen, Abfuhrrhythmus ändern, Gebühren einsehen – das alles geht mit wenigen Klicks. Wer Sperrmüll loswerden will, braucht nur noch einen QR-Code zu scannen, und an Entsorgungsstationen lässt sich bequem mit Karte bezahlen.

Klingt super. Doch wer das alles nicht will oder kann? „Zurückgelassen wird niemand“, versichert AWB-Chef Potthast. Weil nicht jeder gleichermaßen mit digitaler Technik vertraut ist, hat der kreiseigene Betrieb zuletzt auf Wunsch noch immer 6200 Abfuhrpläne in Papierform verschickt. Das steht freilich in keinem Verhältnis zu den zuvor gedruckten 350.000 Exemplaren des jährlichen Müll-Abcs. In Ballungsräumen gibt es ohnehin längst keine Alternative mehr zur digitalen Ordnung des Datensalats. „Wir haben inzwischen mehr als 100.000 Abfuhrzonen mit jeweils eigenen Abfuhrterminen“, macht Michael Potthast deutlich. „Das lässt sich auch in Mitteilungsblättern nicht mehr darstellen.“